Streit vor Gericht

26.01.23
UmweltUmwelt, Bewegungen, Bayern, TopNews 

 

Von Letzte Generation

Staatsanwalt und Richterin liegen in Bewertung weit auseinander

Am gestrigen Mittwoch, dem 25.01.2023, fand um 09:00 am Amtsgericht Nürnberg die Hauptverhandlung gegen vier Unterstützer:innen der Letzten Generation statt. Die zwei Frauen und zwei Männer im Alter von 24 bis 65 Jahren wurden wegen der Teilnahme an einer friedlichen Straßenblockade im letzten Jahr vor Gericht zitiert. Außergewöhnlich war das extrem hohe geforderte Strafmaß. Neun Monate Haft auf Bewährung hätten nach dem Willen des Staatsanwalts ausgesetzt werden sollen. In seinem Abschlussplädoyer sprach er gar von „besonders schwerer Nötigung” und warf den beteiligten Personen „antidemokratisches Verhalten” vor.  Dem widersprach die vorsitzende Richterin entschieden. Sie bestätigte, dass die Angeklagten für „gute und richtige Ziele” protestieren. Statt den neun Monaten Haft verhängte sie daher lediglich eine geringe Geldstrafe von jeweils 40 Tagessätzen. Sehr zum Missfallen der Staatsanwaltschaft. Die vorsitzende Richterin musste den Staatsanwalt wiederholt zurechtweisen und unterbrach seine forschen Interventionen mit deutlichen Worten: „Ich führe hier das Verfahren!“, „Nehmen Sie sich zurück mit Ihrer Anrede!”, „Wollen Sie mir jetzt das Fragemandat entziehen?”. Maja Winkelmann (24), eine der am Protest beteiligten Personen erklärt nach der Verhandlung: „Auch wenn wir es schade finden, dass der Mut der Richterin heute nicht ganz für einen Freispruch ausreichte, verbuchen wir einen Erfolg. Es wird kontrovers diskutiert, ob es Bürger:innen in unserem Land erlaubt ist, zu intervenieren, wenn die Bundesregierung ihre eigene Verfassung bricht.” „Der Bruch von Artikel 20a unseres Grundgesetzes kann nicht mehr ignoriert werden. Durch unseren Protest müssen sich Gerichte und Öffentlichkeit damit beschäftigen. Genau das wollten wir erreichen.”, so Winkelmann weiter.  Die Unterstützer:innen der Letzten Generation gehen davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das heutige Urteil einlegen wird. Dessen ungeachtet spitzt sich die Klimakatastrophe immer weiter zu und so wird ihr Protest weitergehen. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. 

 

Hintergrundinformationen:

Die UN sieht keinen glaubhaften Kurs mehr, auf dem die 1,5-Grad-Grenze noch eingehalten werden kann. Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch zu begrenzen, braucht es, so heißt es im kürzlich veröffentlichten Umweltbericht, einen radikalen gesellschaftlichen Wandel. [1]
Alle Szenarien des IPCC ergeben, dass wir die 1,5-Grad bereits um das Jahr 2030 herum erreichen werden. [2] [3] Mit dem Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze wird das Auslösen von fünf Klimakipppunkten wahrscheinlich, fünf weitere können ab diesem Punkt ebenfalls ausgelöst werden. Die selbstverstärkenden Effekte, die durch den Menschen dann nicht mehr kontrollierbar sind, treiben die Temperatur noch viel weiter nach oben, sodass wir durch das Verfehlen der 1,5 Grad-Grenze automatisch auf 2-3 Grad globale Erwärmung zusteuern. Was wiederum das Kippen weiterer Elemente begünstigt. [4] 
UN-Klimachef Simon Stiell wendet sich mit deutlichen Worten an die Vereinten Nationen:„Die Entscheidungen der Regierungen müssen jetzt die Dringlichkeit und das kleine Zeitfenster widerspiegeln, das uns noch bleibt, um die verheerenden Folgen eines ungebremsten Klimawandels zu vermeiden." [5]

[1] Climate crisis: UN finds ‘no credible pathway to 1.5C in place’ | Climate crisis | The Guardian
[2] Analysis: What the new IPCC report says about when world may pass 1.5C and 2C - Carbon Brief
[3] 148cb0_544aaa3eb24e450ca39c1f9ea5b0f6e7.pdf (climaterealitycheck.net)
[4] World on brink of five ‘disastrous’ climate tipping points, study finds | Climate crisis | The Guardian
[5] UN-Bericht: Welt ist "nicht ansatzweise in der Nähe" des 1,5-Grad-Ziels - Umwelt, Landwirtschaft & Klima - derStandard.at › Wirtschaft







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