von Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Familie des Deutsch-Syrers bangt um sein Leben
Am 23. August wurde der deutsche Staatsbürger Ismail Abdi, Jurist, 1960 geboren in Syrien und seit 1997 mit seiner Familie in Kiel beheimatet, bei einem privaten Besuch am Flughafen in Aleppo festgenommen. Seit nunmehr einem Monat gibt es kein Lebenszeichen des im Komitee zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten und Menschenrechte in Syrien (CDF) engagierten Menschenrechtlers.
Das Auswärtige Amt teilte Bundestagsabgeordneten von SPD, Bündnis90/Die Grünen und Die LINKE auf deren Nachfragen mit, dass die syrischen Behörden gegenüber der deutschen Botschaft die Auskunft verweigern, da Herr Abdi weiterhin auch syrischer Staatsbürger sei. Abdi wurde 2006 in Deutschland eingebürgert, aber Syrien entlässt regelmäßig niemanden aus der Staatsbürgerschaft. Das Auswärtige Amt sicherte den Abgeordneten zu, sich für eine konsularische Betreuung des Menschenrechtlers einzusetzen. Bisher hat die Familie vom AA jedoch keine Information über den aktuellen Sachstand oder über den Aufenthaltsort von Herrn Abdi erhalten.
Willkürliche Verhaftungen und brutalste Folter sind in Syrien an der Tagesordnung, wie u.a. Amnesty International (1) oder Human Rights Watch (2) auch 2010 berichten. Immer wieder verschwinden Menschen in syrischen Gefängnissen, um nie wieder oder durch die Folter dem Tode nah aufzutauchen. Vor diesem Hintergrund bangt die in Kiel lebende Familie um das Leben von Herrn Abdi.
„Wir bitten die deutschen Behörden, alles zu tun, um unseren Vater aufzufinden,“ sagt Farah Abdi, Studentin und die Älteste von den vier Kindern der Abdis.
Das Bundesministerium des Inneren behauptet mit Verweis auf syrische Zusagen, das 2008 geschlossene deutsch-syrische Rücknahmeabkommen bedrohe und gefährde keine von zwangsweiser Rückführung betroffenen syrischen Flüchtlinge. „Aber wie kann ein Abkommen mit einem Staat funktionieren, der nicht einmal im Falle deutscher Staatsbürger mit den deutschen Behörden kooperiert?“ fragt Astrid Willer vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Dabei kann die Sicherheit der Betroffenen auch nach einem Ad hoc Bericht des Auswärtigen Amtes nicht gewährleistet werden. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung alles unternimmt, um Herrn Abdi ausfindig zu machen und zu unterstützen und wir fordern die umgehende Aussetzung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens,“ erklärt Willer.
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, PRO ASYL, CDF und andere Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen rufen gemeinsam mit der Familie auf zu einer
Kundgebung für die Freilassung von Ismail Abdi vor dem syrischen Konsulat in
Berlin, Rauchstr. 25, Berlin-Tiergarten,
am Montag, den 27.9.2010 um 11.00 Uhr.
gez. Astrid Willer, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
www.frsh.de/presse/pe_22_01_2010.htm
Quellen:
(1) Amnesty International: Syria, Briefing to the Committee Against Torture, 20.April 2010
www.amnesty.org/en/library/asset/MDE24/008/2010/en/fd4ff614-da96-4ff4-9e84-19238de109d0/mde2
(2) Human Rights Watch: A Wasted Decade – Human Rights in Syria during Bashar al Assad`s First Ten Years in Power, 16.Juli 2010
www.hrw.org
Zum Hintergrund.
Herr Abdi war in Syrien als Rechtsanwalt tätig und als Menschenrechtler aktiv. In Kiel verdient er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie als Taxifahrer. Als Vorsitzender der deutschen Zweigstelle des Komitees zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten und der Menschenrechte in Syrien (CDF) setzt sich Herr Abdi in Deutschland seit Jahren für Demokratie und Menschenrechte in Syrien ein. Das CDF veröffentlichte unter anderem eine Liste von willkürlichen Verhaftungen Oppositioneller und informierte über die Lage der kurdischen Bevölkerung in Syrien. Nun wurde er offenbar selbst Opfer willkürlicher Verfolgung, so jedenfalls die Vermutung, denn offizielle Gründe für die Verhaftung sind bisher nicht bekannt. Herr Abdi reiste in einer dringenden familiären Angelegenheit mit seiner Familie nach Syrien. Frau und Kinder konnten ausreisen, während Herr Abdi am Flughafen ohne Begründung festgehalten wurde.
PRO ASYL weist darauf hin, dass nicht nur für bekannte Menschenrechtler ein Risiko besteht, in Syrien menschenrechtswidrig behandelt zu werden, auch in Fällen aus Deutschland abgeschobener Flüchtlinge aus Syrien gibt es immer wieder Berichte über Inhaftierungen und Misshandlungen nach der Ankunft.
Das Auswärtige Amt hatte mehrere dieser Fälle in einem Bericht Ende Dezember 2009 bestätigt. Einem der so Abgeschobenen wurde in Syrien vorgeworfen, falsche Informationen über den syrischen Staat im Ausland verbreitet zu haben. Die einzig wahren Informationen verbreitet nach eigener Einschätzung nur das syrische Regime. Der Strafrahmen bei solchen Vorwürfen bewegt sich nach Auskünften des Auswärtigen Amtes „aus der Beobachtung der Menschenrechtslage“ bei zwei bis drei Jahren“
Seit Januar 2010 ist ein Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und Syrien in Kraft. Syrien verpflichtet sich darin zur Rücknahme von syrischen Staatsbürgern und von Personen, die sich nachweislich vor der Flucht nach Deutschland in Syrien aufgehalten haben und deren Asylantrag in Deutschland erfolglos blieb. Der Anspruch an die Nachweise für die Staatsbürgerschaft oder den Aufenthalt in Syrien im Rahmen des Abkommens sind aber weitaus geringer als die, die an Identitätsnachweise im Rahmen des hiesigen Asylverfahrens gestellt werden. Dies führt regelmäßig zum Scheitern der Asylanträge, insbesondere bei denjenigen, denen grundsätzlich die syrische Staatsangehörigkeit verweigert wird. In Syrien leben ca.200 000 staatenlose KurdInnen, denen 1962 die Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Einige von ihnen sind lediglich als Einwohner registriert, andere haben gar keine Papiere.
Herr Abdi gehört der kurdischen Bevölkerungsgruppe an, hat aber die syrische Staatbürgerschaft, aus der der syrische Staat aber grundsätzlich nicht auf Antrag der Betroffenen entlässt.
VON: FLÜCHTLINGSRAT SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V.