1. Mai – Karneval in Wien?

03.05.14
InternationalesInternationales, Bewegungen, Debatte 

 

von Dieter Braeg

Eine rotschwarze Koalition quält die österreichi- sche Bevölkerung. Alles ist und bleibt wie es war. Die „Rettung“ der Bank Hypo Alpe Adria die vor allem von Österreichs abhängig Beschäf- tigten zwangsweise zu leisten ist und, weil mit Buchhaltung, Haushaltsdateninformation wie das Wetter täglich wechseln - tut man sich schwer – sollen allein da zwischen drei und neun Milliarden Defizite ausgeglichen werden.

Die Regierung in der die Sozialdemokratie den Kanzler stellt, plant die Anhebung der täg- lichen Maximalarbeitszeit auf 12 Stunden. Dabei müsste die jetzige Arbeitslosigkeit in Österreich eigentlich durch eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich be- kämpft werden und endlich, in Deutschland längst Inhalt fast aller Tarifverträge – eine sechste Woche Urlaub durchgesetzt werden.

Die notwendige Humanisierung der Arbeitswelt in allen Bereichen muss, gerade im Zeit- alter einer immer weiteren Verdichtung durch Internet und neue technische Systeme, endlich wieder bei den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie auf den Tisch. Statt endlich dafür zu sorgen, dass die Einkommen der abhängig Beschäftigten steuerlich entlastet werden, plant die Regierung in ihrem „Strategiebericht“, die Steuern bis 2018 auf 91,2 Mrd. Euro angehoben – ein Plus von 19,4 Prozent. Das ist Einkommensraub auf höchster Stufe.

Was die Sozialdemokratie da am 1. Mai, Jahr für Jahr als „Maiaufmarsch“ bietet, wirkt nur auf den ersten Blick eindrucksvoll. Alte Fahnen, Transparente auf denen Parolen stehen, die die Welt nicht verändern können – sie sind von jener geradezu naiven Wahlparolenverdummung, mit der man die Menschen belüg-glückt. Dazu Hunde ge- schmückt mit roten Luftballons und auch einige Nachbauten von Straßenbahnen. Da sitzt die im wahrsten Sinne politisch gehbehinderte SPÖ-Mitgliedschaft und winkt mit roten Papierfahnen, dazu gibt’s Musik von zahlreichen Musikkapellen.

Einige Touristen fotografieren, „it’s like Karneval in Köln“ meinen sie und fragen, warum man nicht mit roten Zuckerln auf die Passanten schmeißt.

Auf dem überfüllten Rathausplatz wird viel geredet, nichts versprochen und man hört: „Wir lassen uns nicht einreden, dass der Friede und das friedliche Zusammenleben in Europa selbstverständlich sind.“ Oder man schwadroniert, dass Friede und Demokratie hätten nur dann eine Chance hätten, „wenn es auch eine soziale Gerechtigkeit gibt“. Wo ist die eigentlich, nach den Jahrzehnten von Regierungsverantwortung der österrei- chischen Spezialdemokratie.

„Es wird uns nicht gelingen, in Europa die vielen jungen Menschen, die arbeitslos sind, von einem friedlichen, von einem gemeinsamen Europa zu überzeugen, wenn wir nicht in Beschäftigung investieren oder in den Kampf gegen Arbeitslosigkeit“, stellt Faymann fest. „Das ist eine Voraussetzung für den Kampf für ein gemeinsames Europa.“

Warum hat man diese Voraussetzung nicht bei der Gründung geschafft, sondern statt einem solidarisch sozialen ein kapitalistisches Europa entstehen lassen. Wenn dann auch noch „Verteilungsgerechtigkeit“ gefordert wird und die Mitgliedschaft nicht protestiert, weil da nichts stattfand sondern, wie überall, die Reichen reicher wurden und die Armen ärmer, wird dieser „Marsch“ eine Verhöhnung der Geschichte des 1. Mai.

Erinnern wir uns:

Die Geschichte des 1. Mais als Arbeiterinnen- und Arbeiterkampftag begann mit der weltweiten Industrialisierung. Schon in den 30er Jahren des vorletzten Jahrhunderts kam es zu Diskussionen darum, an einem Tag kollektiv die Arbeit niederzulegen. Der Gedanke einen proletarischen Feiertag als Mittel zur Erlangung des achtstündigen Arbeitstages einzuführen, entstand zum ersten Mal in Australien. Dort beschlossen die Arbeiter im Jahre 1856 einen Tag der völligen Arbeitsruhe durchzusetzen.

Zunächst dachten die australischen Arbeiter an eine einmalige Manifestation. Da diese erste Maifeier einen so starken Eindruck auf die proletarischen Massen Australiens ausübte, entschloss man sich, diese Feier jedes Jahr zu wiederholen. Nicht lange danach und der Gedanke eines proletarischen Feiertags breitete sich von Australien weiter aus.

1884 forderten die "Föderierten Gewerkschaften und Arbeitervereine der USA und Kanadas", daß ab dem 1. Mai 1886 der legale Arbeitstag nicht mehr als 8 Stunden zu betragen hätte. Als dieser Tag dann kam, traten in den USA 340.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in den Streik, allein in Chicago waren es 40.000.

Wenige Tage später fand hier das bekannt geworden Massaker vom Haymarket statt, bei dem durch einen von Provokateuren angezettelten Bombenanschlag ein Polizist um das Leben kam und in einer folgenden Schießerei 6 Polizisten und 7 oder 8 Arbeiterinnen und Arbeiter den Tod fanden und dazu zwischen 30 und 40 Menschen verletzt wurden.

In einem anschließenden Schauprozeß wurden sieben Anarchisten zum Tode verurteilt, in der klassischen Manier, wie es z.B. auch bei den mittlerweile rehabilitierten Sacco und Vanzetti geschah oder aktuell in den Fällen Mumia Abu Jamals oder Leonard Peltiers.

Am 14. Juli 1889 wurde auf Vorschlag der amerikanischen Delegation in Erinnerung an die Märtyrer von Chicago auf dem „Internationalen Arbeiter-Congress“ der mit 400 Delegierten aus 20 Ländern in Paris tagte, der 1. Mai zum internationalen Feier- und Kampftag der Arbeiterklasse erklärt.

Dieser Kongress an dem auch 81 deutsche Delegierte teilnahmen, unter ihnen die sozialdemokratischen Parteiführer August Bebel und Wilhelm Liebknecht, dazu der Gewerkschafter Carl Legien und Martin Segitz als Vertrauensmann der deutschen Metallarbeiter, beschloss unter anderem einstimmig:

Eine wirksame Arbeitersschutzgesetzgebung ist in allen Ländern, welche von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht werden, absolut notwendig.

Als Grundlage für diese Gesetzgebung fordert der Kongress:

a) Festsetzung eines höchstens 8 Stunden betragenden Arbeitstages für jugendliche Arbeiter;

b) Verbot der Arbeit der Kinder unter 14 Jahren und Herabsetzung des Arbeitstages auf 6 Stunden für beide Geschlechter;

c) Verbot der Nachtarbeit, außer für bestimmte Industriezweige, deren Natur einen ununterbrochenen Betrieb erfordert;

d) Verbot der Frauenarbeit in allen Industriezweigen, deren Betriebsweise besonders schädlich auf den Organismus der Frauen einwirkt;

e) Verbot der Nachtarbeit für Frauen und jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren;

f) ununterbrochene Ruhepause von wenigstens 36 Stunden, die Woche für alle Arbeiter;

g) Verbot derjenigen Industriezweige und Betriebsweisen, deren Gesundheitsschädlichkeit für die Arbeiter vorauszusehen ist;

h) Verbot des Trucksystems (Warenentlohnung);

i) Verbot der Lohnzahlung in Lebensmitteln, sowie der Unternehmer-Kramladen;

k) Verbot der Zwischenunternehmer (Schwitzsystem)

l) Verbot der privaten Arbeits-Nachweise-Büros;

m) Überwachung aller Werkstätten und industriellen Etablissements mit Einschluss der Hausindustrie, durch vom Staat besoldete und mindestens zur Hälfte von den Arbeitern gewählte Fabrikinspektoren.

Wenden wir uns ab von diesem Marsch. Vor dem Parlament haben sich neben der KPÖ auch ande- re linke Kräfte versammelt und da gab es richti- ge, wichtige und kritische Beiträge zur Situation des Landes und zu Europa. Besonders erfreulich - der Auftritt von „EUROPA ANDERS“ (www.europaanders.at) – einer Wahlallianz aus der KPÖ, der Piratenpartei Österreich, der Wandel und Unabhängigen, die gemeinsam bei der Europawahl am 25. Mai für eine gerechte Verteilung von Macht, Chancen und Ressourcen antreten und Ulli Fuchs die unabhängige Kandi- datin die von 400 Frauen und Männern bei der Gründungsversammlung dieses wichtigen Bünd- nisses auf Listenplatz zwei gewählt wurde und bei dieser Veranstaltung sehr deutlich für ein Europa der Menschen warb.

Das am 12. Mai um 18:00 Uhr ein breites Bündnis vieler linker Kräfte in Wien auf der Mariahilferstraße/Ecke Museumsplatz demonstriert – gegen den geplanten 12 Stund.- en-Tag – ist auch ein Zeichen, dass es in Wien noch Protest gibt, noch Hoffnung die von der SPÖ-nahen Sozialistischen Jugend gefordert wurde - „die Rückbesinnung der SPÖ auf sozialdemokratische Grundwerte und das Verlassen der Großen Koalition.“.

Es bedarf nicht dieser Rückbesinnung! Es braucht eine starke vereinigte linke Kraft in Österreich, der sich die angeblich „Linken“ der Sozialdemokratie ver- weigern!

Dieter Braeg

[1] Fotos: Dieter Braeg - mehr hier:
www.kossawa.de/index.php/inland-ausland/363-1-mai-karneval-in-wien

Viele Köche und der "Tag der Arbeitslosen"-Brei
www.heise.de/tp/news/Viele-Koeche-und-der-Tag-der-Arbeitslosen-Brei-2180367.html


VON: DIETER BRAEG






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