Buchtipps von Michael Lausberg
Buch 1
Fabian Mamok: Oskar Holweck. Ein Oeufvre zwischen Informel und Zero, Gebr. Mann Verlag. Berlin 2022, ISBN: 978-3-7861-2882-3, 79 EURO (D)
Oskar Holweck kann zu den großen und stillen Akteuren der deutschen Nachkriegskunst im zeithistorischen Umfeld von ZERO und Informel gesehen werden. Sein Werk wurde bislang nur vordergründig behandelt.
Diese Arbeit will durch den Zugang zu bisher unzugänglichen Diskussionen aus dem Nachlass Holwecks umfassende Darstellung erarbeiten. Sie ist eine historisch-kritische, die durch die Erschließung der Dokumente des Nachlasses neue Aspekte in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einbezieht.
Zunächst werden in einem Überblick Forschungsinteresse, ausführlich der Forschungsstand, das methodische Vorgehen und das Leben Holwecks dargestellt.
Die weitere Arbeit ist chronologisch aufgebaut. Eine gattungsbezogene Unterteilung des Hauptwerkes erfolgt zwischen den im weitesten Sinne grafischen Arbeiten, die den Beginn des unabhängigen künstlerischen Schaffens markieren, Reliefarbeiten, die sich insbesondere durch die zunehmende Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Papier und dem Verzicht auf eine grafische Komponente beziehen, sowie den Buchobjekten. Die Unterteilung der Papierarbeiten erfolgt in Hinsicht auf ihre Faktur in Reißgrafiken, Reißreliefs und Reißkollagen. Es folgen die Falt- und Knitterarbeiten. Analog dazu sollen auch die plastischen Objekte hinsichtlich der genannten Kategorien untersucht werden. Die plastischen Arbeiten gliedern sich in Buchobjekte, Tagebücher und dreidimensionale Werke im Allgemeinen.
Danach geht es um Holweck und die Lehre. Es werden die theoretischen Überlegungen Holwecks bezüglich seiner Grundlehre, die er seit 1956 ab der Staatlichen Werkkunstschule und ab 1971 in der Nachfolgeeinrichtung, der Stuttgarter Fachhochschule im Fachbereich Design, offiziell unterrichtete, dargelegt.
Es werden die Inspirationsquellen, die Holweck in seine Grundlehre miteinbezieht, vorgestellt: die fachlichen Ideen der Bauhauskurse von Johannes Itten und Laszlo Moholy-Nagy, die fachlichen Ideen der Lehre Kleints, die pädagogischen Ideen aus dem Bereich der Zen-Lehre und Ideen aus dem Umkreis der Zero-Gruppe.
Als generelles und übergreifendes Lehrziel kann die Ausbildung und Formung des Menschen hervorgehoben werden. Es wird verlangt, die individuelle künstlerische Freiheit einzuschränken, um dadurch zu einer ganz eigenen subjektiven Gestaltungsfreiheit zu gelangen. Die Grundlehre von Holweck umfasst sechs Aufgabenbereiche: Helligkeit, Körper/Raum, Material/Struktur, Form, Farbe, Rhythmus/Bewegung. Nach der Didaktik und Ästhetik geht es um das Sehen lernen.
Zu Beginn der Grundlehre besitzen Studierende bestimmte Wirklichkeitsschemata, die sich zum einen auf die Begrifflichkeit eines bestimmten Objekts beziehen und zum anderen durch persönliche Prägung entstanden sind. Holwecks Grundlehre will diese beiden Bereiche durch die Untersuchungen der Erscheinungsformen und Bildelemente ablösen zu einer neuen Perspektive.
Holwecks Grundlehre kann als ein kombinatorisches System betrachtet werden, das sich durch die Verknüpfung von Lehrinhalten, Lehrziele und Lehrmethode auszeichnet. Im Gegensatz zu den Lernprogrammen des Bauhauses ist seine Grundlehre horizontal aufgebaut, um einen breiten Bereich der Grundlagenforschung zu gewährleisten und die analytischen Fähigkeiten im Bezug auf die Wahrnehmungsmechanismen auszubauen.
Es folgt noch eine kurze Rezeption von Holwecks Lehre und künstlerischem Wirken.
Nach den Anmerkung schließt sich der Werkkatalog an.
Im Werkkatalog wurde versucht, die Fehler, die bislang in den unterschiedlichen Publikationen aufgetreten sind, zu bereinigen. Er hat aus den unterschiedlichsten Bereichen Quellen zusammengetragen. Er versammelt von der Hand Holwecks dokumentierte Werke sowie zusätzliche Werke, soweit sie im primären Quellenmaterial (Korrespondenzen, Fotografien, Protokolle) benannt und referenzierbar wurden. Die Datierungen und Bezeichnungen entsprechen den auf den Originalarbeiten vorhandenen Betitelungen oder den durch Holwerk angeführten Bezeichnungen. Die Reihenfolge der Werke ist entsprechend der vorgegebenen Nummerierung genau eingehalten worden.
In der Arbeit stehen Werke und vor allem der Werkkatalog klar im Vordergrund. Letzterer wurde mit viel Akribie aufbereitet und hier präsentiert. Der Werkkatalog ist auch mit dem Ziel angelegt, weitergehende Forschungen zu ermöglichen und bietet durch seine gute Gliederung und Ausführlichkeit beste Grundvoraussetzungen. Dafür kommen die Stationen von Holwecks Leben zu kurz, die Anhaltspunkte dafür geben können, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen biografischen Ereignissen und Werk besteht und wenn ja, wie dieser aussieht.
Buch 2
Ellen Borggreve/Daniel Laan: Praxisbuch Wälder fotografieren. Stimmungsvolle und märchenhafte Bilder zu jeder Jahreszeit, dpunkt, Heidelberg 2022, ISBN: 978-3-86490-813-2, 32,90 EURO (D)
Ellen Borggreve und Daniël Laan haben sich auf die Fotografie von Wäldern spezialisiert und verraten alle Tricks, um zu ausdrucksstarken und magischen Bildern zu gelangen. Dies wird Schritt für Schritt erklärt, beginnend bei der Bildidee über erste Erkundungen on Location bis hin zur Aufnahme und anschließenden Bildbearbeitung.
Im ersten Kapitel geht es um die Entwicklung einer eigenen Idee und Vision. Dabei werden an Motivbeispielen passende Fragen zur eigenen Motivation und Vorlieben gestellt. Außerdem wird der Unterschied zwischen Vision und Stil erläutert.
Das zweite Kapitel dreht sich um die passende Vorbereitung. Dazu gibt es Hintergrundinformationen zu verschiedenen Wald- und Parzellentypen, das Erkunden eines Waldes, die Recherche nach Satelliteninformationen, Apps, Webseiten, monumentale Bäume, das Einstellen und Verhalten bei verschiedenen Wetterbedingungen, Fotografieren entlang der Jahreszeiten und das Gespür für den richtigen Moment.
Das Fotografieren an sich, das als künstlerisches Fotografieren verstanden wird, ist dann Thema. Die einzelnen Elemente wie Ausrüstung, Komposition, Format, Storytelling durch Fotos, Kontrast, Farbschema, Einstellungen wie Raw, Belichtung, Schärfe, Weißabgleich sowie Focus Stocking oder das Aufnehmen von Panoramen werden einzeln beleuchtet.
Weiter geht es mit der Nachbearbeitung. Schwerpunkte sind Raw-Datei, Software, Plug-Inns und Tools, das Arbeiten mit mehreren Aufnahmen, das Vorbeugen und Bereinigen von Color Branding und Sensorflecken und der Einsatz von verträumten Effekten. Es wird auch die Frage nach der Ausnutzung aller digitalen Möglichkeiten und der Frage nach Authentizität gestellt.
Das letzte Kapitel wird das Anwenden des gesamten Workflows an einem konkreten Beispiel aus einem alten Wald in Mittelitalien gezeigt. Dabei geht es um die Recherche, die Vorbereitung, das Erkunden nach einem passenden Motiv vor Ort und die Nachbearbeitung.
Im Anhang gibt es noch einen Index.
Es werden alle relevanten Themen wie Art der Wälder, Einfluss der Jahreszeiten und des Sonnenstandes, Analyse der Wetterlage (mit Links auf unterstützende Webseiten) behandelt und ausdrucksstarke Bilder, meist aus den Niederlanden und Belgien, mit allen relevanten Informationen gezeigt. Hervorzuheben sind auch die Hinführungen zum Finden eines eigenen Stils.
Ein eigener Exkurs zur Fotografie und Dokumentation von Klimaschäden fehlt leider.
Buch 3
Nina Sophia Miralles: Inside Vogue. Die Geschichte eines Magazins und der Frauen, die es führten, Hoffmann und Campe, Hamburg 2022, ISBN: 978-3-455-01473-0, 26 EURO (D)
Dieses Buch will einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des weltberühmten Modemagazins werfen, das in zahlreichen Staaten der Welt erscheint und eine hegemoniale Stellung in der Modewelt besitzt.
Es werden die Anfänge der Geschichte der Vogue erzählt und natürlich auch die zahlreichen berühmten Gesichter wie Models oder Modeschöpfer und Anekdoten hinter ihren Arbeiten mitgeteilt. Darunter natürlich auch die bekannten Fotografen, die für die Vogue im Laufe ihrer Geschichte gearbeitet haben. Dies geschieht jedoch ohne größere Skandale und persönliche Angriffe, Sensationsgier kann also nicht befriedigt werden.
Einen Schwerpunkt nehmen Mitarbeiterinnen und ihre Arbeit ein.
Hinter der Hochglanzfassade des weltberühmten Modemagazins waren es von Anfang an die Redakteurinnen, die mit unkonventionellen Ideen und Unerschrockenheit das Magazin durch etliche Krisen geleitet haben und nebenbei neue Trends vorgaben. Sei es die offen lesbische Dorothy Todd, die das London der zwanziger Jahre unsicher machte, Woolman Chase, die 1914 kurzerhand die Modenschau erfunden hat, Diana Vreeland, die ihre Anweisungen gerne aus der Badewanne gab, oder Anna Wintour, die spätestens seit „Der Teufel trägt Prada“selbst unter Modemuffeln berüchtigt ist.
Nicht nur die aufwendig inszenierten Fotostrecken bekannter Fotografen mit der neuesten exklusiven Damenmode stehen im Vordergrund, sondern auch die schnöde Alltagsarbeit fernab der Glitzer- Modewelt. Es wird dem Leser ein guter Einblick geboten, wie ein Monatsmagazin wie Vogue funktioniert, wie die Entscheidungsabläufe sind und wie viel Arbeit hinter einem Artikel steckt.
Es wird aber auch ein Blick in die aktuelle Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft geworfen. Das Magazin und die handelnden Personen müssen sich modifizieren und sich den wechselnden Trends und vor allem der Digitalisierung anpassen.
Die Konzentration liegt auf den drei wichtigsten Ausgaben: der US-Amerikanischen, der britischen und der französischen Vogue. Inspirierend und interessant für alle, die regelmäßige Leser des Magazins sind. Allerdings gibt es erstaunlich wenig Illustrationen in dem Buch.
Buch 4
Oliver Rausch: Gestalten mit Licht und Schatten. Licht sehen und verstehen, 4. Auflage, dpunkt, Heidelberg 2021, ISBN: 978-3-86490-837-8, 39,90 EURO (D)
Licht ist ein wichtiges Gestaltungselement der Fotografie Oliver Rausch, Mitbegründer der Fotoakedemie-Koeln zeigt in diesem Buch, wie sich Licht der Bildaussage entsprechend gezielt wirkungsvoll einsetzen und die Bildgegenstände plastisch werden lässt. Die Lichtgestaltung wird zu einem Werkzeug der Bildgestaltung, das die Grundaussage des Bildes bewusst planen und die emotionale Wirkung steuern lässt.
Das Buch beginnt mit Grundlagen der richtungsabhängigen Lichtwirkung anhand von Porträts. Danach werden die klassischen Hauptlichtarten Seitenlicht, Rembrandtlicht und hochfrontales Licht, die unterschiedliche Stimmungen, Grundthemen und Aussagen im Bild erzeugen, vorgestellt. Die Wahl und die Größe der Hauptlichtquelle, die besonderen Einfluss auf die Breite des Übergangsbereichs zwischen der Schatten- und der beleuchteten Seite des Modells hat, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
Unterschiedliche Techniken zum Aufhellen von Schatten, die sich im zeitlichen Aufwand, im Preis und deren Wirkung unterscheiden, kommen dann zur Sprache. Dies sind das Verlängern der Lichtquelle, die Verlängerung bei den Hauptlichtarten und das Aufhellen mit einer kleinen Lichtquelle sowie die Kompromissaufhellung. Wie eine eigene Linienführung durch das Gegenlicht möglich ist, wird danach gezeigt. Die Anwendung auf Gruppenporträts folgt danach. Dabei werden verschiedene Schwierigkeitsstufen Schritt für Schritt erläutert.
Die Übertragung des Gelernten ins Freie steht dann im Vordergrund. Zunächst werden die Hauptlichtarten und das Gegenlicht mit direkter Sonne veranschaulicht. Danach werden neue Denkweisen und Hilfsmittel vorgestellt, die bei Lichtreflektion nützlich sein können. Der Systemblitz, der eingesetzt wird, wenn das Umgebungslicht für eine Aufnahme nicht mehr ausreicht, wird dann besprochen. Die Übertragung von Porträts auf andere Bereiche wie Landschaften, Architektur, Produkt oder Stillleben runden das Buch ab.
Praxisarbeiten von Studierenden der Fotoakedemie-Koeln illustrieren die wesentlichen Aspekte der Kapitel. Sie werden im Anhang mitsamt Homepage und Maiadresse vorgestellt. Außerdem findet man noch einen Index im Anhang.
Hier wird ausführlich gezeigt, wie die einzelnen Wirkungen von Licht im Bild gestaltet werden können. Es wird mit Studioaufnahmen begonnen, um erstmal einfache, berechenbare Situationen zu haben. Davon ausgehend wird es komplexer bis hin zu Lichtfotografie im Freien. Von daher ist das Buch für Anfänger in der Lichtfotografie bzw. Licht und Schatten-Fotografie oder Student*innen geeignet. Es gibt noch die Möglichkeit, ein Videotutorial passend zu den Inhalten des Buches der ersten fünf Kapitel, herunterzuladen.
Buch 5
Ina Ross: Wie überlebe ich als Künstler*in?, 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, transcript, Bielefeld 2022, ISBN: 978-3-8376-5993-1, 24 EURO (D)
Wie können Künstler*innen ihre Kreativität einsetzen, um für sich selbst zu werben? In aktualisierter und stark erweiterter Neuausgabe bietet Ina Ross konkrete Hilfe bei den vielgestaltigen Herausforderungen von Marketing, Finanzierung und Selbstorganisation.
Im ersten Schritt geht es um das Eigentümliche und Unverwechselbare einer Kunst, die Alleinstellungsmerkmale. Danach wird erläutert, wie der Bekanntheitsgrad gesteigert werden kann. Dies betrifft zuerst Printmedien, es wird erläutert, wie eine Pressemitteilung geschrieben wird, der Kontakt zu Journalist*innen, die Anforderungen eines Newsletters, die Werbung in der Netzgemeinde mit Social Media (Instagram, Facebook, Tik Tok, Blog, Podcast).
Anschließend geht es um Guerilla Marketing: selbstgemachte, authentische und andere Art von Werbung zum Beispiel durch Werbesprühen.
Die Finanzierung steht dann im Vordergrund. Neben dem Verkauf von Werken und Leistungen gibt es noch weitere Finanzierungsarten: Die Förderung einer Person und der Kunst durch Stipendien, Sponsor*innen, Spenden von Privaten wie durch die Öffentliche Hand. Es wird gezeigt, wie die Suche nach Sponsor*innen und Mäzen*innen, Kunstförderungen durch Unternehmen und die Förderungen durch die Öffentliche Hand funktioniert. Dazu werden Adressen genannt, auch für den kirchlichen Bereich und es wird gezeigt, wie ein Förderantrag funktioniert. Geld von den Verwertungsgesellschaften schließt das Kapitel ab.
Danach stehen die digitalen Möglichkeiten der Finanzierung im Mittelpunkt. Das Konzept und die Durchführung von Crowdfunding wird dort erläutert. Danach wird speziell auf Frauen im Kunstbetrieb eingegangen und fünf Anlaufstellen genannt. Es folgt die Selbstorganisation. Die Planung eines Projekts, Meilensteine am Ende einer Etappe zum Projektziel und technische Hilfsmittel für Terminkoordination.
Im letzten Kapitel wird erläutert, was Marketing nicht kann, nämlich die künstlerische Qualität zu ersetzen.
Das Buch macht Mut, da hier gezeigt wird, dass selbst viel selbst gesteuert werden kann, um als Künstler*in erfolgreich zu sein. Die Autorin liefert zudem viele brauchbare Tipps bspw. zu den Themen Selbstmanagement, der Präsentation und den Umgang mit der eigenen Internetpräsenz. Es werden zwar nützliche Adressen gegeben, aber Literatur zum Weiterlesen fehlt leider.