von Georg Korfmacher - München
„Münchner Kardinal Marx ist gegen Mindestlöhne“, titelt BILD und trifft den Kardinal an seiner offenbar schwächsten Stelle, bei seiner Rolle als Sozialexperte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Mit diesem Zitat outet sich der Kirchenführer als jemand, der von Sozialem scheinbar soviel versteht wie eine Kuh vom Sonntag.
Gerade in der derzeitig heftigst geführten Diskussion um Arbeitswelt und Rentenpolitik hätte man eine etwas substantiellere Äußerung des Sozialexperten Marx erwartet. Aber der satte Kardinal legt noch nach. Er schwadroniert von Klassenkampf und lobt sich selbst, marktwirtschaftlich orientiert zu sein.
Wie soll der mit einem fetten Gehalt aus öffentlichen Steuermitteln vollumfänglich versorgte Sozialexperte auch wissen, dass nur ein anständiger Lohn auch zu einer anständigen Rente führt, wenn man denn lang genug eingezahlt hat. Und wie soll der qua Amt undemokratische Kirchenfürst verstehen, dass die Welt vor und nach der Rente nur solidarisch funktionieren kann, dass wir unser Rentensystem neu organisieren und dabei auch die Reichen einbeziehen müssen.
Aber das riecht für den Kardinal nach Klassenkampf, da hält er sich lieber an die Mächtigen und derzeit regierenden Politiker. Gleichzeitig sagt er aber auch etwas naiv, "dass die, die mehr haben, auch mehr beitragen müssen", um dann sogleich mit all seiner Sozialkompetenz anzuprangern, dass man von den Reichen nicht nehmen könne, weil sie es ja hätten. Also, das verstehe, wer kann oder will. Einem vernünftig denkenden Demokraten verschlägt es bei soviel Kompetenz und Kontradiktion den Atem. Aber der Kardinal hat noch mehr Weisheiten parat. "Wir brauchen ein Steuersystem, das effektiv, transparent und nachvollziehbar ist".
Na, wer hätte das gedacht?! Oder dass ein Mindestlohn "eine Kapitulation unserer sozialen Marktwirtschaft“ sei, allenfalls eine „Notlösung“. Bei soviel Stuss kann man nur annehmen, dass der Sozialexperte Marx Nerven zeigt und ihm zu unseren brennenden Sozialproblemen wirklich nichts einfällt. Der Sozialexperte Marx scheint in der derzeitige Diskussion eine populistische Umverteilung zu sehen und hält dagegen, dass vor allem eine größere Zielgenauigkeit der Ausgaben im Sozialsektor angesagt sei sowie ein konsequenter Schuldenabbau: "Wenn wir nicht die Schulden so abbauen, dass wir wieder handlungsfähig werden, gefährdet es insgesamt das Gemeinwesen."
Als eine der führenden Industrienationen sind wir noch handlungsfähig. Woher bezieht denn der Kardinal sein Gehalt? Aber mit solch billigen Gemeinplätzen ist keinem gedient. Es muss gehandelt werden. Und da könnte man von dem reichen Kardinal erwarten, dass er mit gutem Beispiel voran geht und sich nicht in Platituden austobt. Und dann noch ein Eigentor: "Wenn der Staat eingreifen muss, ist schon etwas faul".
Warum hat dann der Kardinal vor 10 Jahren nicht seine Stimme erhoben, als in unserem Staat mit der als alternativlos erklärten Agenda 2010 mit ihren verheerenden Folgen für prekäre Arbeitsverhältnisse, Niedriglöhne und Altersarmut in unser Sozialgefüge eingegriffen wurde? Riecht der feine Herr wirklich nicht, wie sehr diese ganze Fäulnis zum Himmel stinkt? Er, der Sozialexperte der Deutschen Bischofskonferenz.
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VON: GEORG KORFMACHER