von Dieter Braeg
Anschlussbuch
Thomas Rothschild:
„BIS JETZT IST ALLES GUT GEGANGEN“
Fälliger Dank und mürrische Zwischenrufe
Als ich, im Jahre 2006 das Buch „Alles Lüge“ von Thomas Rothschild besprach, stellte ich fest:
„Gar viele behaupten an einer schönen Welt zu basteln. Noch mehr lügen in die Taschen ande- rer, weil die eigene Tasche schon lügenvoll ist. Die Verhältnisse sind nützlich und es ist so erfreulich, dass Thomas Rothschild noch immer für viel zu viele kein unangenehmer Zeitgenosse ist. Mir wäre lieber, es wäre anders, weil Verhältnisse in diesem Land eben nur für den so sind, wie sie sein sollen, der es sich richtet.“
Thomas Rothschild, 1942 in Glasgow geboren, studierte Slavistik und Germanistik in Wien, Moskau und Prag und lehrte ab 1968 bis 2007 an der Universität Stuttgart Lingu- istik und Literaturwissenschaften.
Vor kurzem ist im Klever Verlag Wien, eine Textsammlung des gleichen Autors erschie- nen, die er mit dem Satz „Dieses Buch schließ dort an, wo ‚Alles Lüge. Das Ende der Glaubwürdigkeit’, erschienen 2006 im Wiener 'Promedia Verlag', aufgehört hat.“ be- ginnt.
Die eigene Meinung zu äußern ist in diesem nichtunseren Land recht erschwerten Be- dingungen ausgesetzt. Das öffentlich mehr oder weniger unrechtliche Fernsehen, ge- speist per Zwangsabgabe, beschränkt sich in den „Hauptzugriffszeiten“ darauf, zu unterhalten. Mehr UNTER!
Seit Jahren schätze ich jede Zeile die ich von Thomas Rothschild lesen konnte, das hat Gründe. Hier ein Zitat zum Festspielwahnsinn Salzburgs:
„Die schlichte Wahrheit jenseits aller selbstgefälligen Verlautbarungen ist: Wer ein Fest mit Händel und Nono, mit Tschechow und Beckett, mit Varése und Schnittke will, und zwar ein demokratisches Fest für alle, kurz: wer die Bewahrung eines Kulturverständ- nisses jenseits von Musical und Rummel will, ohne das auch Marlene Streeruwitz keine Leser finde, nicht aber die penetranten Lackaffen, denen Kultur und Fest nur zur Rep- räsentation dienen, der muss ihnen den verdienten Spott verpassen, nicht sich mit ihnen vor Kameras spreizen, mehr noch, der muss eine andere Gesellschaft wollen.“
Das Schmierentheater Demokratie und Marktwirtschaft bietet einem Kritischen und Wortgewaltigen wie es Thomas Rothschild ist, viele Angriffsflächen. Traurig ist, dass die Veröffentlichungsmöglichkeiten immer weniger werden. Auch im 'FREITAG', der Woch- enzeitschrift, die nach Rudolf Augsteins Kauf im Sommer 2008, immer mehr zu einer scheinliberalbürgerlichen Meinungsruine herunter gewirtschaftet wurde, schrieb Roth- schild eine Kolumne. Der Titel 'Linker Haken'.
Obwohl vom auch nicht mehr beim 'FREITAG' beschäftigten Ressortleiter des Kulturteils bestellt, erschienen Rothschilds Glossen immer seltener. Mit der Begründung, es lägen zu viele Beiträge vor, endete die Zusammenarbeit.
Es lag wohl eher daran, dass auch im 'FREITAG' die freie Meinungsäußerung dann unfrei wird, wenn diese dem Herausgeber/Besitzer nicht passt.
Thomas Rotschild erinnert an einen Satz der Führer der SPD aus dem vorigen Jahrhun- dert: „Die SPD ist wehrlos, aber nicht ehrlos.“ Heute, was ist die SPD? Mächtig, ehrlos und wehrlose Vertreterin der Interessen des Kapitals.
Das Buch enthält zu viele Wahrheiten:
„Was die sozialdemokratischen Politiker von heute charakterisiert, ist ihre völlige Be- ziehungslosigkeit zur Arbeiterbewegung. Sie sind Karrierepolitiker, die es zufällig oder weil sie sich dort die besten Chancen ausgerechnet hatten, zur SPD verschlug. Sie könnten ihren Ehrgeiz ohne Probleme auch in einer anderen Partei stillen.“
Zu der Biographie Rothschilds gehört, dass er im Jahre 1964 zum „Freundeskreis“ von Rolf Schwendter stieß und diese Begegnung prägte ihn sehr stark, wie er feststellte:
„Zum «Freundeskreis« bin ich gestoßen, als ich mich gerade an einem lebensgeschi- chtlichen Wendepunkt befand. Nach einem Studienjahr in der Sowjetunion war ich auf Grund der dort gemachten Erfahrungen aus der FÖJ, dem nur vorgeblich unabhängigen Jugendverband der KPÖ, ausgetreten, die bis dahin zu einem großen Teil mein soziales Umfeld bestimmt hatte. Der «Freundeskreis« - zusammen mit der Bekanntschaft mit Otto Fielhauer und der sich verstärkende Kontakt zu Ernst Fischer - bewahrte mich davor, Renegat zu werden. Hier traf ich auf jene »heimatlose Linke«, die damals nicht nur ein Schlagwort war. Ich begegnete Menschen unterschiedlichen Temperaments, unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher politischer Gesinnung, die nur dies verband: eine kritische Distanz zur herrschenden, von bigottem Mief geprägten österreichischen Nachkriegsgesellschaft und eine grundsätzlich antibürgerliche Haltung, die vielen der im »Freundeskreis« Versammelten durch Außenseiterprädikate unterschi- edlicher Art mehr oder weniger aufgezwungen war.“
„Bis jetzt ist alles gut gegangen“ ist Zeitkritik und es gibt auf wichtige Fragen (Sind alle Ärzte geldgierig?; Ist das Regietheater ein Übel? oder – Wozu ist Bildung gut?) Antwor- ten. Den Beruf des Journalisten hat es nicht immer gegeben ist im Vorwort zu lesen und in diesen Zeiten in denen eine Meinung meist einem Produkt etwas Gutes zu tun hat, oder Geld bringt, weil das X ein U wurde, oder umgekehrt, da baucht man kritische Au- toren, wie Thomas Rothschild – also, damit es gut geht – sein Buch ist, in diesem Meer der Einschaltquitenidiotie, eine Notwendigkeit.
Thomas Rothschild:
„BIS JETZT IST ALLES GUT GEGANGEN“
Fälliger Dank und mürrische Zwischenrufe
Klever Verlag Wien. 223 Seiten, 19,90 €
ISBN 978-3-902665-51-5
klever-verlag.com?
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Rothschild
https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Schwendter
www.kossawa.de/index.php/kultur/buchbesprechung/337-anschlussbuch
VON: DIETER BRAEG