Buchtipps von Michael Lausberg
Buch 1
Jonathan Clemens: Darwins Notizbuch. Sein Leben, seine Reisen, seine Entdeckungen, WBG Theiss, Darmstadt 2020, ISBN: 978-3-8062-4182-2, 28 EURO (D)
Jonathan Clemens‘ Biografie über den großen Naturforscher Charles Darwin erscheint in Form eines Notizbuches und enthält zahlreiche Zitate und Zeichnungen aus seinen persönlichen Notiz- und Tagebüchern.
Darwins Notizbuch beginnt mit seinen Großvätern: Erasmus Darwin, ein Arzt und Erfinder, und Josiah Wedgwood, ein wohlhabender Besitzer einer Manufaktur, beide erklärte Gegner der Sklaverei. Danach behandelt Darwins privilegierte Erziehung und kommt so zu seinen sorgfältigen Beobachtungen und die sorgfältige Anhäufung von Daten während der fünfjährigen Seereise an Bord der HMS Beagle und die anschließende Entwicklung seiner Ideen, als er 1836 wieder in England war.
Die natürliche Selektion, die erstmals in Darwins wegweisendem Buch von 1859 über den Ursprung der Arten öffentlich erklärt wurde, die unser Konzept, wer wir sind und woher wir kommen, grundlegend verändert hat. Darwin argumentierte, dass wir alle, Menschen, Affen, Schweine, Fische, Pflanzen - alle verwandt und Nachkommen gemeinsamer Vorfahren waren, wenn wir in der Zeit weit genug zurückgingen. Die Arten waren nicht statisch, sie änderten sich im Laufe der Zeit. Diese Idee war nicht neu, aber Darwin lieferte einen Mechanismus für ihre Entstehung. Kreaturen, die Eigenschaften besaßen, die ihnen halfen, sich erfolgreicher an Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen, überlebten eher und gaben diese Eigenschaften weiter als solche, die dies nicht taten. Dieser Prozess der natürlichen Selektion führt dazu, dass sich Arten im Laufe der Zeit verändern und auseinander gehen.
Dies war ein Gräuel für viele Religionen und ihrer Potentaten, die argumentierten, dass jede Spezies individuell von Gott erschaffen worden war und unverändert blieb. Sie lehnten Darwins Theorie ab und bekämpfen sie teilweise noch bis heute. Dies wird im letzten Kapitel Darwins Vermächtnis deutlich. Ebenso werden die bewussten Verstümmelungen von Darwins Gedanken durch Francis Galton hin zum Konzept des Sozialdarwinismus und der Eugenik behandelt.
Im Anhang findet man noch weiterführende Literatur, ein Register und den Bildnachweis.
Das Buch gibt detaillierte Informationen über Darwins frühen Werdegang, seine Reise mit der Beagle, seine Beobachtungen, seine Auswertungen und sein berühmtes Buch „Über den Ursprung der Arten“. Es ist kreativ angelegt, mit Zitaten, Bildern und Zeichnungen und bietet ein optisches Vergnügen. Das Lesen wird dadurch ein wenig besser strukturiert als bei anderen Biografien, weil sich jede Doppelseite auf ein bestimmtes Thema bezieht. Am Ende des Buches wäre ein Glossar für wichtige Fachbegriffe wünschenswert gewesen.
Buch 2
Eileen Crist: Schöpfung ohne Krone. Warum wir uns zurückziehen müssen, um die Artenvielfalt zu bewahren, oekom, München 2020, ISBN: 978-3-962-38178-7, 22 EURO (D)
Die Soziologin und Professorin an der Virginia Tech Eileen Crist beschäftigt sich vor allem mit den Wurzeln der ökologischen Krise und Aspekten einer neuen ökologischen Gesellschaft. Das Buch bietet nicht nur einen Überblick über das Artensterben und das den Anthropozentrismus, sondern kritisiert auch technologische Korrekturen und das Oxymoron einer nachhaltigen Entwicklung, die beide nach Lösungen im bestehenden Rahmen des beständigen Wachstums suchen. Crist greift oft auf die Weltanschauungen der amerikanischen Ureinwohner zurück, wie man sich mit der Natur verbindet und sie respektiert.
Um die Artenvielfalt zu erhalten ist ein Rückzug des Menschen, um die Natur wieder mehr Raum zu geben. Der entscheidende Faktor ist ihrer Meinung nach die Überbevölkerung, der „große Multiplikator“ aller Umweltauswirkungen. Die optimale Bevölkerungsgröße, die im Einklang mit der Natur stünde, wären zwei Milliarden. Dabei distanziert sie sich von früheren Versuchen wie Zwangssterilisation oder Chinas drakonische Ein-Kind-Politik. Dagegen spricht sie sich für die Stärkung von Frauen und die universelle Verfügbarkeit von Verhütung und Familienplanung als Mittel zur Reduzierung von Geburten aus.
Um zu einer ökologischen Zivilisation zu gelangen, schlägt Crist weiterhin vor, den Überkonsum einzudämmen, die Volkswirtschaften zu dezentralisieren, den Welthandel zu reduzieren, den Verzehr von Fleisch einzustellen, die rasche Umstellung auf ökologischen Landbau und der Natur vielerorts ihren Lauf zu lassen, ohne dass Menschen eingreifen. Sie will auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ein gutes Leben nicht mit der Akkumulation materieller Güter oder Steigerung des Konsums zu tun hat Grundsätzlich müssen wir unser Denken über das, was ein gutes Leben ausmacht, zurücksetzen
Dies ist ein radikales Manifest, das härtere Maßnahmen als andere ökologischen Denker fordern. Crist versteht es zwar, mit ihrer eindringlichen und emotionalen Sprache den Leser in den Bann zu ziehen, aber viele ihrer Lösungsvorschläge wie die Reduzierung der Weltbevölkerung sind unrealistisch und wenig konkret. Ihre Kritik am übermäßigen Konsum und regionales Wirtschaften sind dagegen berechtigt. Dennoch gibt es andere Beiträge über alternative Lebens- und Wirtschaftsformen im Einklang mit der Natur, die gewinnbringender zu lesen sind.
Buch 3
Andreas Bärtels: Wild- und Zieräpfel. Üppige Pracht für Gärten und Parks, Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2020, ISBN: 978-3-494-01830-0, 29,95 EURO (D)
Der renommierte Dendrologe Andreas Bärtels stellt in diesem Buch zahlreiche Wild- und Zierapfelarten, Hybriden und Sorten vor. In Porträts beschreibt er in Europa heimische Wildäpfel und außereuropäische Wildapfelarten sowie Zierapfelsorten. Es werden über 600 Abbildungen und detailgetreue Zeichnungen von Malus-Wildarten der ehemaligen Sammlung in Naumburg/Saale gezeigt.
Zuerst wird auf die häufig vorkommende Gattung Malus eingegangen, deren Systematik und die Gliederung der Arten in Sektionen und Serien. Außerdem geht es um die tertiäre und rezente Verbreitung der Malus-Arten. Danach stehen Grundinformationen über Wild- und Zierapfelarten, Hybriden und Sorten im Mittelpunkt. Das Pflanzen und Pflegen, der Gartenwert von Zieräpfeln, der ökologische Wert der Wild- und Zieräpfel und der als Nahrungsmittel, die richtige Vermehrung, der Umgang mit Krankheiten und Schädlingen und ein kulturhistorischer Exkurs über den Apfel in Mythen, Gedichten, Märchen und Erzählungen sind die einzelnen Schwerpunkte.
Anschließend folgt der Hauptteil: die Beschreibung der Arten, Hybriden und Sorten. Dies geschieht nach folgender Einteilung: Europäische Wildäpfel, kaukasische und zentralasiatische Wildäpfel, ostasiatische Wildäpfel, nordamerikanische Wildäpfel, Malus-Hybriden mit latinisiertem Namen und Zieräpfel mit Sortennamen.
In allen Kapiteln werden Arten und Hybriden in alphabetischer Reihenfolge ihrer wissenschaftlichen Namen beschrieben, die Arten ausführlich und mit Fließtext, Hybriden und Sorten stichwortartig. Nach den wissenschaftlichen und deutschen Namen der Art folgen in Klammern die Zugehörigkeit zu Sektionen und Serien und in einer weiteren Klammer die synonymen Namen der Art. Den Sortennamen folgt in Klammern der Abstammung. Die Beschreibung der morphologischen Merkmale erfolgt stets in der gleichen Reihenfolge: Habitus, Zweige, Blätter, Blüten und Früchte sowie Angaben zur natürlichen Verbreitung.
Im Anhang findet man noch Bezugsquellen mit Adressen und E-Mails in der BRD, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, die Adresse der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, eine Auflistung der beschriebenen Malus-Arten, ein Literaturverzeichnis und Internetquellen, ein Register fehlt. Außerdem gibt es noch eine Tabelle mit den Blütenfarben der Zier-Apfel-Sorten. Dabei wird die Farbe der voll entfalteten Blüten, die im knospigen Zustand häufig anders gefärbt ist, angegeben.
Das Buch enthält kompakte Informationen zu Wuchsform, Farbe, Blüte und Frucht und jeweilige Besonderheiten mit einem opulenten Anhang. Die zahlreichen Bilder und Zeichnungen zeigen detailliert und großformatig die einzelnen Sorten und geben so einen visuellen Eindruck und reduzieren die Verwechslungsgefahr bei der eigenen Bestimmung. Laien in der Dendrologie und Pomologie werden hier viel Wissenswertes herausziehen, auch für den eigenen Anbau.
Buch 4
Siegfried Klaus/Hans-Heiner Bergmann: Auerhühner & Co. Heimliche Vögel in freier Natur, Aula Verlag, Wiebelsheim 2020, ISBN: 978-3-89104-835-1, 29,95 EURO (D)
Dieses Buch stellt die Schönheit und Besonderheit der Raufußhuhnarten Europas und Asiens in Texten und zahlreichen Bildern vor. Neben den heimischen Arten Auerhuhn, Birkhuhn und Haselhuhn werden auch bislang wenig erforschte Geschwisterarten aus Russland und Mittel- und Nordasien gezeigt. Das Buch enthält Informationen zur Bestimmung der Arten, über das Leben und Verhalten und zu Schutzmaßnahmen. Ein Ziel des Buches liegt darin, die wachsende Bedrohung der Raufußhühner deutlich zu machen und für den Schutz dieser Arten und ihrer Lebensräume Grundlagen zu liefern.
Zuerst werden Grundlagen über die Familie der Raufußhühner geliefert: Dabei werden ein Stammbaum, die Fortpflanzung, der Einfluss von Beutegreifern, Wintergruppen, Verhalten, die Bildung von Mischlingen und das Federkleid präsentiert. Außerdem wird auf Nachweismethoden, der Einfluss des Klimawandels auf ihren Lebensraum und die Bildung von Mischlingen eingegangen.
Danach werden in einzelnen Kapiteln das Auerhuhn, das Steinauerhuhn, das Birkhuhn, das Kaukasusbirkhuhn, das Haselhuhn, das Chinahaselhuhn, das Sichelhuhn, das Alpenschneehuhn, das Moorschneehuhn und das schottische Moorschneehuhn dargestellt.
In den Texten geht es vor allem darum, jede der Arten mit ihren besonderen Eigenheiten und Anpassungen im Rahmen der Familie der Raufußhühner zu kennzeichnen und ihre Lebensweise in den unterschiedlichen Biotopen zu beschreiben. Es werden außerdem ausgewählte Schutzprojekte oder Monitorings vorgestellt. Dies wird ergänzt von zahlreichen Bildern, die Details verraten.
Am Ende jedes Artkapitels werden Federntafeln der einzelnen Arten zur Ergänzung angefügt. Außerdem werden biologische Fakten noch kurz zusammengefasst. Dies geschieht nach folgender einheitlicher Systematik: Areal, Bestandsgröße, Brutbiologie, Jahresablauf, Lebensraum, Nahrung, Siedlungsgeschichte, Ortsbewegung, Bedrohung, Schutz.
Das Beizverhalten mit Farbmuster, Bewegungen und Lautäußerungen wird in über QR-Codes aufrufbaren Filmsequenzen für jede einzelne Art noch gezeigt.
Im Anhang findet man noch ein Literaturverzeichnis, ein Register, einen Bildnachweis und Informationen über die Autoren.
Das Neue an dem Buch ist, dass hier erstmals Arten aus dem Kaukasus, Sibirien und China vorgestellt werden und diese mit den heimischen Arten verglichen werden. Das Buch zeichnet sich vor allem durch tolle Bilder in der freien Natur und die Filmsequenzen aus. Verbreitungskarten sind in diesem Buch nicht enthalten, es werden jedoch Hinweise auf Literatur dazu auf Seite 8 gegeben.
Buch 5
Günther Bachmann: Die Stunde der Politik. Ein Essay über Nachhaltigkeit, Utopien und Gestaltungsspielräumen, oekom, München 2020, ISBN: 978-3-962-38236-0, 20 EURO (D)
Das Zitat auf der Buchrückseite nimmt schon ein wenig den Inhalt vorweg: „Der Satz ‚die Politik kann es nicht‘ hat Konjunktur – ich möchte dem vehement widersprechen.“
Der ehemalige Generalsekretär im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Günther Bachmann, will in diesem Buch Erfolge und Misserfolge bei der Bekämpfung der Klimakrise und der Förderung nachhaltiger Entwicklung jenseits eines Schwarz-Weiß-Denkens aufzeigen. Er wehrt sich gegen den pauschalen Vorwurf aus Unternehmen, dem Naturschutz, der Wissenschaft oder Stiftungen, „die Politik, die kann es eben doch nicht.“ (S. 10) „Kritiker_innen ‚der Politik‘ machen es sich bewusst bequem, indem sie die Binnenwelten negieren und der Politik stattdessen die Kompetenz rundweg absprechen. Schließlich müssen sie dann ja auch nichts machen. (…) Die verkürzende Verallgemeinerung aber lässt Alternativen verschwinden und entwertet sie obendrein noch durch permanente Alarmstimmung.“ (S. 11) Die „Rede von ‚der Politik‘ konstruiert ein Gesamtsubjekt, dass es gar nicht gibt, (…)“ (S. 10)
Es fehle an Empathie auf Seiten von weit gehenden Naturschützern und politischen Entscheidungsträgern: „Forderungen nach konsequenter Wendepolitik – Sofortausstieg aus der fossilen Energie, Stopp der Massentierhaltung als Beispiele- sind verständlich, oft sogar richtig, aber sie verpuffen allzu häufig. Ihnen fehlt das Gespür für Opportunitäten, Irritationen, Abzweigungen und die situative Intelligenz (…). Umgekehrt gibt es auch bei den politischen Entscheidungsträger*innen einen grundsätzlichen Mangel. Zu selten bringen sie die Fehlentwicklungen, Risiken, Krisen und Katastrophen mit politischen Gestaltungsräumen und ihren Vorstellungen vom Regieren in Einklang.“ (S. 13)
In diesem Buch werden „die Hintergründe dessen, was in puncto Nachhaltigkeit wie passiert ist, was möglich wäre – und vor allem, was noch nicht in Gang kommt.“ (S. 11)
Für Bachmann zeigen die letzten zwanzig Jahre „mehr Gelingendes als Misslungenes.“ (S. 14) In der Zeit wurden „mehr Praxiserfahrungen, Ziele, Instrumente und Vereinbarungen zur Nachhaltigkeit geschafften als die gesamte Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.“ (S. 16) Die Erfolge werden aufgezählt: „Denn noch nie setzten sich mehr Menschen dafür ein, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, Abfälle zu recyceln, für gesunde Ernährung oder für einen wirkungsvollen Klimaschutz und eine intakte Umwelt auf die Straße zu gehen. Noch nie zuvor haben so große Teile der Wirtschaft die Nachhaltigkeit als ihr Paradigma erkannt. Noch nie hat die Politik ehrgeizigere Ziele für Nachhaltigkeit in den Raum gestellt. (…) Die Zeiten sind vorbei, da Nachhaltigkeit gehässig ignoriert oder gütig auf morgen verschoben werden konnte.“ (S. 16f)
Im Folgenden werden auch die Chancen und Potentiale beleuchtet, die besser funktionieren müssen oder die noch auf der Agenda fehlen. (siehe Rubrik Möglich ist… ab S.207) Dabei geht es auch um präventive Maßnahmen.
Sicher ist richtig, ohne Differenzierungen von „der Politik“ zu reden. Die Fortschritte sollen auch nicht in Abrede gestellt werden, sie reichen aber schlicht nicht aus. Schon seit den 1970er Jahren gab es genügend Warnungen vor der drohenden Klimakatastrophe, die nicht ernst genug genommen wurden. Von daher wurde dort vieles versäumt mit dem Ergebnis, dass nun die Zeit davon läuft. Für eine allmähliche nachhaltige Transformation ist es schon fast zu spät. Die eindringlichen Appelle von verschiedenen Seiten sind kein Alarmismus, sondern haben handfeste Grundlagen.
Buch 6
Jürgen Dahl: Der unbegreifliche Garten und seine Verwüstung. Über Ökologie und über Ökologie hinaus. Mit einem Vorwort von Manfred Kriener, oekom, München 2020, ISBN: 978-3-962-38184-4, 22 EURO (D)
Dieses Buch ist -aus heutiger Sicht betrachtet- ein Frühwarnsystem, das schon in den Anfängen der Umweltbewegung den angeblichen Fortschritt anzweifelt und vor den schon bestehenden und den noch stärkeren Folgen einer weiter sich entwickelnden Technisierung und Industrialisierung auf Kosten von Gesundheit und Umwelt warnt. Dabei kritisiert er vor allem die Rolle der Wissenschaften und macht auf Paradoxien aufmerksam.
Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass der Garten für Dahl einen wichtigen Ausgangspunkt für sein Denken bedeutete: „Ein Garten hat Prinzipien, er hat eine Begrenzunng, er kann nicht uferlos wachsen, er braucht den pfleglichen Umgang, saubere Luft und gesunden Boden, er braucht Geduld, Hingabe, Liebe. (…) Dabei überprüfte er gesellschaftliche Entwicklungen und politische Entscheidungen gewissermaßen aus gärtnerischer Sicht. Er war davon überzeugt, dass sich die Gesellschaft mit den Regelsystem des Garten kurieren ließe.“ (S. 17)
Er betreibt fundamentale Kritik an Naturwissenschaft: „ Geschichte der Lebewesen wurde in ihre Abschnitte zerlegt, die Welt, zuvor ein großer Garten mit allerlei Pflanzen und Getier, wurde eine Funktion der Zeit und ihre Bewohnerschaft zu einem Heer namenloser Gestalten mit keinem anderen Auftrag und keinem anderen Lebenssinn als dem, die Geschichte weiterzuführen. Jedes Lebewesen war nun nicht mehr nur (und bald überhaupt nicht mehr) das gegenwärtige und einzigartige Gegenüber mit dem Recht des Einzelnen, sondern ein austauschbares Exempel, die mechanische Ausfüllung einer historischen Gussform.“ (S. 35). Dies hatte zur Folge, dass „der Garten der Welt der Verwüstung anheimfiel, zuerst schleichend und kaum sichtbar, dann mit immer deutlich werdender Spuren der rücksichtslosen Nutzung und Auspowerung. Die Bewirtschaftung des Landes, zunehmend nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten verübt und mit den jeweiligen biologischen Erkenntnissen stets gleichauf liegend, führte zur Bildung von Produktionswüsten.“ (S. 55)
Er weist aber auch auf Missverständnis, die auch heute noch vorherrschen, des Begriffs ökologisches Gleichgewicht hin: „Vor allem ist dieses höchst empfindliche Gleichgewicht, wenn es sich dann überhaupt einstellt, keineswegs das Hauptziel aller Ökologie, als das in vielen Anhängern einer ökologischen Weltanschauung gibt. Die Ökologie kennt gar kein Hauptziel, sondern nur den Weg des Lebens, und der führt nicht immer geradeaus auf die elysischen Felder, sondern immer im Kreis und immer durch Untergänge.“ (S. 76)
Er geht mit der Ökologie über die Ökologie hinaus: „Die Ökologie ist keine Gesetzessammlung, die sich zu einer Umwelt-Ethik ausformen ließe. Alles, was unter dem Etikett der Ökologie an Vorschlägen und Vorschriften, an Empfehlungen und Mahnungen, an Verboten und Geboten annonciert wird, beruft sich zwar auf nachgewiesene ökologische Zusammenhänge, - aber die Wertung dessen, was als unerwünscht und erlaubt, was als sündhaft und verwerflich zu gelten hat, liegt außerhalb der Ökologie.“ (S. 83)
Die noch damals herrschende Technikgläubigkeit und der damit zusammenhängende Fortschrittsglaube werden in vielen Stellen des Buches demaskiert. Er tritt auch als einer der ersten Warner vor Gentechnik und den Folgen auf.
Es wird deutlich: Jürgen Dahl ist kein grüner Volkstribun, auch keiner, der aktionsorientiert war und mit dystopischen Szenarien spielte. Er ist eher ein Feingeist, der mit stilistischen Mitteln, einer eigenen Prosa, hintergründigem Humor, Zynismus und lehrreicher Raffinesse seine Sorgen und Bedenken ausdrückt. Er überträgt die Gegebenheiten seines Gartens vermischt mit Zivilisationskritik und etwas Kulturpessimismus auf den Zustand der Welt. Er setzt sich zwar kritisch mit Biologie als Wissenschaft auseinander, Auseinandersetzungen mit (heutigen) Klassikern wie Rousseau oder Thoreau finden sich nicht bei ihm.