Buchtipps von Michael Lausberg
Buch 1
Megan Rapinoe: One Life, Goldmann, München 2020, ISBN: 978-3-442-31621-2, 20 EURO (D)
Megan Rapinoe war die beste Spielerin beim vierten WM-Sieg der US-Frauenfußballmannschaft. Diese Biografie handelt ebenso von Rapinoes politischem Aktivismus wie von Sport. Es verfolgt Rapinoes politische Entwicklung von der Stimmabgabe für George W. Bush im Jahr 2004 bis 2016.
Rapinoe tritt ein für LGBTQ-Rechte, Frauenrechte, einer Reihe von Fragen der sozialen Gerechtigkeit und gegen rassistische Ungleichbehandlung. Sie fand Inspiration in den Protesten gegen die Polizeigewalt in den USA durch den ehemaligen Quarterback Colin Kaepernick und die WNBA-Spielerinnen der San Francisco 49ers. Einer Einladung nach dem WM-Sieg durch Trump folgte sie nicht und begründete dies auch öffentlich mutig mit dem Rassismus des damaligen Staatschefs.
Auch ihre Kindheit nimmt einen breiten Raum ein. Sie wuchs in einem konservativen Elternhaus auf. Ihre Mutter kellnerte in einer Grillbar und sorgte so für die finanziellen Voraussetzungen ihrer Fußballkarriere. Repinoe berichtet, dass ihre Eltern zunächst wenig mit Frauenfußball anfangen konnten. Auch als erfolgreiche Sportlerin verlor sie nie die Bindung zu ihren Eltern und ihrer Geburtsstadt und half dabei, 150.000 US-Dollar zu sammeln, um Redding nach einem Feuer 2018 zu unterstützen.
Sie erinnert sich auch an die hohen Hürden als Jugendliche, wo Trainer und Verantwortliche ihr nicht das Vertrauen entgegenbrachten, eine Karriere im Sport machen zu können. Das hat sie nun eindrucksvoll widerlegt. Sie will aber auch Jugendlichen und aufstrebenden Sportlern Mut machen und sich davon nicht zum Aufgeben verleiten zu lassen. Ihre fußballerischen Stationen wie ihr Engagement in Europa bei Olympique Lyonais und im US-Team kommen natürlich auch zur Sprache.
Man sieht, dass dieses Buch keine konventionelle Sportbiografie handelt, sondern um Lebensfragen und gesellschaftliche Problemlagen geht. Das Engagement von Sportstars wie Rapinoe oder auch andere würde man sich auch von mehr deutschen Sportlern wünschen. Eine sehr gradlinige charakterstarke Frau kommt hier zum Vorschein, die mehr als Sportruhm und Dollarzeichen im Kopf hat.
Buch 2
Lothar Seiwert/Silvia Sperling: Die Intervall Woche. Arbeitest Du oder lebst Du schon?, Knaur, München 2020, ISBN: 978-3-426-67598-4, 18 EURO (D)
Der Zeitmanagementexperte Lothar Seiwert und die Wirtschaftsjournalistin Silvia Sperling zeigen in diesem Buch die Bedeutung von Intervallen für unser Leben auf. Es ist eine Art Leitfaden zur Wiederentdeckung des eigenen Biorhythmus und zur Gestaltung einer Arbeitswelt, die inneren Bedürfnissen entspricht.
Es wird anhand eines Selbsttests nachvollziehbar gemacht, welchem Intervalltyp man selbst entspricht. Darauf aufbauend gibt es für vier Intervalltypen verschiedene Achtsamkeitsübungen, Synchronisationsmöglichkeiten oder Organisationsvarianten. Selbstbeobachtungsstrategien, die BOSS-Methode und die Bedeutung des Schlafes werden behandelt. Wie New Work, also die Balance zwischen Arbeit, Freizeit, Erholung nach inneren Bedürfnissen in der Zukunft aussehen kann, wird dann anhand von neuen agilen Unternehmensformen, dem Menschen im Mittelpunkt der Arbeit, die Bedeutung von Vertrauen und die Rolle von KI in diesen Prozessen deutlich gemacht. Die Vorteile für jeden persönlich und auch für den Arbeitgeber kommen auch zur Sprache. Dies enthält neben dem wechselseitigen Dialog auch die Agilität und die Potentiale von Vorschlägen der Mitarbeiter. Dialog bedeutet für sie mehr als Austausch zwischen Mitarbeitern; nämlich ein wechselseitiges Lernen zum Wohle des Unternehmens, das auf Werten wie Glaubwürdigkeit, Respekt, Kritikfähigkeit und lockeren Hierarchien beruht.
Es wird gut vorgestellt, wie dialogische Resilienz für Einzelne, Teams und Organisationen als Ressource genutzt werden und wie der Dialog Achtsamkeit in Organisationen, ihre Selbsterneuerungsfähigkeit und Agilität unterstützt. Dialogische Lern- und Entwicklungsbeziehungen und darin eingebettete Kommunikation werden dabei mit den Bedürfnissen des eigenen Biorhythmus und dem Denken und Handeln in Intervallen verbunden.
Dies ist allerdings nur in vielen Bereichen umzusetzen, für Feuerwehr, Notfallsanitäter oder festgelegte Produktionsabläufe unter Zeitdruck ist es eher nicht anwendbar.
Ergänzend dazu kann das Konzept der Salutogenese angewandt werden und in den Alltag integriert werden. Die Aneignung, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, wie man das eigene Umfeld gesundheitsfördernd gestalten kann, ist ebenso wichtig.
Buch 3
Katharina Pommer: Stop Mom Shaming. Miteinander statt Gegeneinander, Goldegg Verlag, Wien/Berlin 2020, ISBN: 978-3-99060-176-1, 22 EURO (D)
Katharina Pommer Familientherapeutin mit Schwerpunkt Bindungstherapie, beschäftigt sich in diesem Buch mit Müttermobbing. Sie zeigt als Therapeutin, mit welchen Gedankenlosigkeiten und Gemeinheiten Mütter, die sie in ihrer Praxis über die Jahre betreut hat, täglich konfrontiert sind. Als Mutter von fünf Kindern gibt sie einen sehr offenen Einblick in persönliche Erfahrungen mit verschiedenen Formen von Mom-Shaping. Sie erklärt woher Mom-Shaming kommt, was für Auswirkungen es hat und wie man als Mutter damit umgehen können.
Sie charakterisiert Mom-Shaming als gesellschaftliches und individuelles Problem, das schon zur Normalität geworden sei. Gerade unter Müttern sei der Anspruch gestiegen, alles richtig machen zu wollen. Dies ist ein Abbild der Gesellschaft, in allen Bereichen des Lebens Leistung bringen zu müssen. Dies führe zu ständigen Vergleichen untereinander und eine Art von Wettbewerb untereinander, was die Grundlage für Mom-Shaping sei.
Durch Social Media hat sich dies noch verstärkt. In Online-Gruppen wird untereinander verglichen, früher waren dies nur die eigene Mutter, Verwandte und wenige Freundinnen gewesen. Die Rolle von Influencerinnen und bekannten Stars, die sowohl Karriere als auch Erziehung scheinbar hinkriegen. Dies gilt natürlich auch für Treffen, Kurse oder Freizeitaktivitäten. Die führe zu inneren Kämpfen, Fragen und Selbstzweifel. Scheinbare Fehler spiegeln sich in anderen Müttern wieder, Selbstvorwürfe können leicht zu Depressionen führen. Viele Frauen haben Ängste, dass ihre Kinder ihnen später einmal Vorwürfe machen.
Weiterhin nennt sie andere Dimensionen des Mom-Shapings und berichtet von eigenen Erlebnissen aus ihrer Jugend. Vor allem das Mütterbild von Eltern und natürlich auch dem von Männern dominierten Gesellschaftsbild kommt dabei zur Sprache. Daneben spricht sie von strukturellem Mom-Shaping, die unbezahlte Arbeit für die Gesellschaft, die sich in einer eklatanten Lohn- und Versorgungslücke ausdrückt.
Von daher empfiehlt sie, sich vom Perfektionismus als Mutter zu verabschieden und zu verstehen, dass Erziehung mit eigenen Fehlern dazugehört.
Ihre Message ist: Ob alleinerziehend, Vollzeit-Mutter oder Working Mom, ob junge Mutter, Tante oder Oma: Hören wir auf, uns gegenseitig niederzumachen, und helfen wir einander, gute Mütter zu sein!
Das Buch sensibilisiert für unbedachte Äußerungen oder Bemerkungen und zeigt auf, welchen psychischen dies Schaden anrichten kann. Es hilft, Selbstvertrauen aufzubauen und sich von Fremdwahrnehmung ein Stück weit abzugrenzen. Wie Perfektionismus Schaden anrichten kann, nicht nur bei anderen Müttern, sondern auch bei Kindern, wird sehr deutlich. Wobei auch das Desinteresse an Erziehungsfragen oder Vernachlässigungen bei Kindern keinen Deut besser ist.
Dies ist aber auch Teil eines weit verbreiteten Phänomens, seinen eigenen Standpunkt absolut zu setzen, ohne Empathie und Toleranz für Vielfalt nicht in Erziehungsfragen. gibt es zu genüge. Wo aber die Grenzen zwischen konstruktiver fachlicher Kritik und dieser Art von Bevormundung und Besserwisserei liegt, wird nicht ganz deutlich.
Buch 4
Markolf H. Niemz: Die Welt mit anderen Augen sehen. Ein Physiker ermuntert zu mehr Spiritualität. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2020, ISBN: 978-3-579-06212-9, 20 EURO (D)
Markolf H. Niemz Physiker und Inhaber des Lehrstuhls an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, versucht in diesem Buch den Spagat zwischen faktenbasierter Naturwissenschaft und Philosophie/Spiritualität/Religion herzustellen. Dieses auf den ersten Blick sehr schwierige Unterfangen wird aber vortrefflich eingelöst.
Das Buch beginnt mit einem kurzen Einstieg zur Veränderung der Perspektive, was an einigen einfachen Beispielen deutlich gemacht. Danach folgen sechs Challenges in einzelnen Kapiteln, wo wichtige Fragestellungen des Lebens, die jeden Menschen betreffen, behandelt werden. Diese bauen in gewisser Weise aufeinander auf und eine Challenge ist ca. 10-20 Seiten lang. Zuerst kommt die Fragestellung und es folgt die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Theorien, Danach kommt die philosophische/spirituelle Sicht der Dinge, die gegenübergestellt werden. Während der Challanges wird der Leser wird oft miteinbezogen und aufgefordert, selbst eine Lösung zu finden. Zu mehrmaligem Lesen wird vom Autor übrigens auch an einigen Stellen aufgefordert, um sich über seine Positionen klar zu werden Zusätzlich zu den sechs Challenges wird ein Bonuskapitel geboten, in welchem über Nahtoderfahrungen geschrieben wird.
Im Anhang findet man noch ein Interview mit dem Autor, Definitionen von wichtigen Begriffen im Buch, Informationen zu seiner Stiftung Lucys Kinder, die Anmerkungen und den Bildnachweis.
Die Definitionen im Sinne eines Kurzglossars helfen ungemein weiter, hätten aber noch etwas ausführlicher sein können. Ansonsten ist das Werk tiefgründig, das Ergebnis eines intellektuell versierten Autors und hat eine ansprechende Aufmachung mit einigen Illustrationen. Verschiedene existentielle Fragen, die sich jeder schon mal gestellt hat, kommen zur Sprache. Von den Challenges, wo er die Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, kann der Leser viele Denkanstöße bekommen und viel für sich mitnehmen.
Buch 5
Andrea Schwarz: Leben was sonst! 365 Entdeckungen, Patmos, Ostfildern 2020, ISBN: 978-3-8436-1261-6, 24 EURO (D)
Andrea Schwarz möchte mit Texten zu jedem Tag des Jahres Spuren legen, Mut machen, Hoffnung geben und zum Leben einladen, gerade in Zeiten von Corona und des Klimawandels.
Dies sind Texte und auch Gedichte von jeweils einer Seite quer durch den Jahreskreis oft mit christlichen Bezügen oder Exkursen zu Stellen aus der Bibel, bisweilen eingeleitet mit einem Bibelvers. Einige der Texte sind entstanden mit Bezug auf die Bibellesungen der Sonn- und Feiertage nach der Leseordnung der katholischen Kirche. Aber auch Fragen des Lebens und der Existenz stehen im Mittelpunkt.
So wird zum Beispiel beklagt, dass Pflichten, das Verplant-Sein, Termine und Notwendigkeiten das Gefühl für Freiheit, Glück und den Bezug zu sich selbst bisweilen verhindern können. Zu wenig Zeit für Träume, Visionen und Spontanität bleibt: „ein Zuviel an Pflicht und ein Zuwenig an Lust.“ Neugier und Lust sollte daher nicht im Alltagsstress verlorengehen. Sie berichtet von „Gipfelmomenten“, außergewöhnliche Momente im Alltag, die ein Gefühl von Glück und Lebendigkeit vermitteln: „Es sind Augenblicke, die prägen, die man nie wieder vergisst. Das sind die Momente, in denen man keine Fragen mehr hat oder sie nicht mehr wichtig sind. Alles ist plötzlich irgendwie klar, erklärt sich selbst.“ (S. 180)
Oder die Erkenntnis, dass jeder das tun sollte, was ihm liegt und nicht, was er nicht kann und nicht will, sei es privat oder beruflich: „Wir sind manchmal in unterschiedlichen Welten unterwegs – und das zu akzeptieren wäre vielleicht ein guter Schritt Richtung Frieden. Damit jeder dort zu Hause ist, wo er zu Hause ist.“ (S. 315)
Im Anhang gibt es noch ein Quellenverzeichnis, eine Liste von Bibelstellen, die auf die Tagestexte im Buch mit einem solchen Bezug verweisen und eine weitere Liste mit liturgischen Daten, die ebenfalls auf die Tagestexte mit einem solchen Bezug verweisen.
Viele Begebenheiten aus dem Alltag werden reflektiert und manchmal in einen größeren Zusammenhang gesetzt. Christliche Traditionen, Rituale und Feiertage werden mit Leben gefüllt und oft mit tiefergehenden Gedanken begleitet. Für die Beziehung zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Gott gibt es oft hilfreiche Anregungen in den Tagestexten und Gedichten.
Buch 6
Renate Bruckmann: Unter der Gürtellinie. Unerklärliche Beschwerden im urogenitalen Bereich körpertherapeutisch verstehen und behandeln, Knaur, München 2020, ISBN: 978-3-426-65866-6, 24 EURO (D)
Die Pohltherapie ist eine körpertherapeutische, medikamentenfreie Methode zur Behandlung chronischer Beschwerden, bei denen sich organmedizinisch meist kein Befund erheben lässt. Dort gibt es fünf ineinander greifende Methoden die therapeutisch auf die unterschiedlichsten körperlichen Probleme eingehen. In diesem Buch stellt die Pohltherapeutin Renate Bruckmann Beschwerden im urogenitalen Bereich in den Mittelpunkt, die zur Selbstbehandlung befähigen sollen. Dies sind zum Beispiel chronische Blasenentzündungen, Brennen, vermehrter Harndrang oder chronische Prostatis.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es darum, die eigenen Beschwerden zu verstehen, Fehlhaltungen zu erkennen und deren Ursachen zu identifizieren. Dazu gibt sie einen Überblick über Forschungsergebnisse, erläutert chronische Verspannungen, beschreibt häufige Beschwerden und zeigt, welche Muskeln Beschwerden auslösen können und wie chronische Anspannungen entstehen.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit Informationen, um selbst herauszufinden, woher die eigenen Anspannungen stammen. Dazu werden viele Fallbeispiele illustriert, zudem werden äußere Faktoren (Ereignisse und Einflüsse) und innere Faktoren wie spannende Gewohnheiten oder Fehlhaltungen als Ursachen skizziert. Beckenbeschwerden werden außerdem in Beziehung zu anderen Faktoren gesetzt: übertriebenes Training, Bewegungsmangel, Alltagsstress, Depressionen, Angststörungen, Partnerschaft.
Im dritten Teil geht es um die Möglichkeiten der Behandlung. Dort wird ein Übungsprogramm zur Lockerung und Schmerzlinderung vorgestellt, das die Muskeln und Faszien des gesamten Beckens umfasst. Dies wird ergänzt durch Übungen zur Stressbewältigung und Reduzierung von Angstgefühlen, Hormone oder Wasseranwendungen.
Die Lektüre dieses Buches über die verschiedensten Beschwerdebilder im Beckenbereich ist für alle Betroffenen, sowie Ärzte und Therapeuten zu empfehlen. Bei Unsicherheiten sollte jedoch eine pohltherapeutische Fachkraft aufgesucht werden. Es hilft, Betroffenen neuen Mut zu geben, sich selbst zu beobachten und den Körper wahrzunehmen. Den einzelnen Beschwerden werden die dazu passenden Behandlungsmöglichkeiten zugeteilt. Viele Übungen und Tipps lassen das Buch zu einem wertvollen Ratgeber werden. Für die medizinischen Fachbegriffe wäre jedoch ein Glossar wünschenswert gewesen, so dass auch Leute ohne Vorbildung nicht nachschlagen müssen.