300 Tage Haft - Mutter soll wegen Formfehler ins Gefängnis
12.01.23
Bewegungen, Umwelt, Berlin, TopNews
Von Letzte Generation
Am Mittwoch den 10.1. findet ein Prozess am Amtsgericht Tiergarten ein abruptes Ende. Sonja Manderbach hatte sich mehrfach an den Protesten der Letzten Generation beteiligt - gegen die darauffolgenden Strafbefehle hat sie Einspruch eingelegt und will ihren Fall vor Gericht verhandeln. Mitten im Prozess sucht die zuständige Richterin nach Formfehlern und findet diese auch. Sie bricht die laufende Verhandlung ab und erklärt auch eine weitere bereits erfolgte Verhandlung im Nachhinein für ungültig. Die Angeklagte soll nun für 300 Tage in Haft. Als Sonja Manderbach am Dienstag auf dem Amtsgericht Tiergarten erschien, war sie auf eine Hauptverhandlung vorbereitet. Die Kirchenmusikerin und Mutter einer 15-jährigen Tochter hat sich an mehreren Protesten und Blockaden beteiligt, bei denen der Verkehr zum Erliegen kam. Der Vorwurf der Nötigung steht im Raum - ein Delikt, das laut Gewerkschaft der Polizei je nach Situation auch als Bagatelldelikt bewertet werden kann [1]. Aus dem Nichts verkündet die vorsitzende Richterin dann: Sonjas Einspruch wird wegen eines Formfehlers verworfen. Die Unterschrift auf dem Einspruch sei nicht korrekt erfolgt. Die digitalen Unterschriften würden nicht ganz den Vorschriften entsprechen - es sei doch besser, den klassischen Postweg zu wählen. Die Richterin entschuldigt sich, dass sie es beim letzten Mal „verpennt hätte”. Aufgrund dieses Formfehlers sind nun die sechs Strafbefehle rechtsgültig. In Konsequenz hat Sonja 300 Tagessätze zu je 40 Euro zu zahlen - 12.000 Euro oder 300 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis. Sonja Manderbach bleibt vor Gericht eindeutig: „Ich werde keine Strafe bezahlen. Entweder sie sprechen mich frei oder ich gehe ins Gefängnis. Der Gegenwind der Gerichte stärkt mich nur. Es wird von der Gesellschaft nicht unbemerkt bleiben, dass ich und andere der Letzten Generation unverhältnismäßig hart bestraft werden, weil wir unsere Mitmenschen vor den tödlichen Folgen der ungebremsten Klimakatastrophe retten wollen.” Die Rechtslage ist dabei bei weitem nicht eindeutig. Ähnliche Vorwürfe führten in einem Verfahren in Freiburg zu Freispruch [2]. In drei Fällen haben in Berlin mehrere Richter:innen das Ausstellen von Strafbefehlen an Unterstützer:innen der Letzten Generation verweigert - in ihren ausführlichen Begründungen sehen sie solche Proteste und Straßenblockaden in Anbetracht der “objektiv dringlichen Lage” angesichts der Klimakatastrophe als „nicht verwerflich“. Demonstrationen seien „lästig, aber für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich“. [3] Von ihrer Tochter bekommt Sonja Manderbach Unterstützung und Rückhalt für ihren Protest. In Anlehnung an ihren Lieblingsfilm ermutigt sie ihre Mutter: „Es ist so, wie es Dumbledore sagt: Es liegen dunkle, schwere Zeiten vor uns. Bald müssen wir alle uns entscheiden zwischen dem richtigen Weg und dem leichten Weg. Du hast dich für den richtigen entschieden. Das ist nicht immer einfach. Aber es ist richtig, dass du das machst.” Auch an diesem Morgen blockieren Unterstützer:innen der Letzten Generation friedlich den Autoverkehr in Berlin und riskieren hierfür Geld- und Haftstrafen. Sie tun dies in dem Wissen, dass es richtig ist, Widerstand gegen das Weiter-so in der Klimakatastrophe und somit die wissentliche Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu leisten. [1] Bagatelldelikt [2] Letzte Generation: Straßenblockaden: Klimaaktivist in Freiburg freigesprochen | ZEIT ONLINE [3] Blockaden der Letzten Generation: Richterlicher Widerstand - taz.de
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