Tierquäler im Rosenmontagszug und leere Ausflüchte der Verantwortlichen

08.03.23
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Von Netzwerk für Tiere Köln

Wie durch eine Recherche von PETA bekannt wurde, lief im Kölner Rosenmontagszug 2023 ein Pferdehalter mit, der vor kurzem für schwerste Tierquälerei an seinen Pferden verurteilt wurde. Das Festkomitee Kölner Karneval reagiert auf diesen Vorwurf mit Verständnis heischenden Versprechungen und leeren Worten.

Die Länge des Zuges und die Beobachtung von stark gestressten Tieren warfen bereits vergangene Woche aus Tierschutzsicht erneut ein schlechtes Licht auf den Rosenmontagszug. 1 Die Kritik an der fortwährenden Praxis, Pferde im Rosenmontagszug mitzuführen, erreicht mit den neuesten Nachrichten jedoch noch einmal ein neues Stadium. Denn wie bekannt wurde, verlieh ein (wegen Revision noch nicht rechtskräftig) verurteilter Tierquäler nicht nur seine Pferde als Kutschpferde an die Karnevalsgesellschaft der Altstädter, sondern lief auch noch selbst als Begleitung im Zug mit. 2 Horst S. aus Monschau bei Aachen soll seine Pferde in der Vergangenheit immer wieder geschlagen und ihnen mit Hämmern, schweren Stahlketten und Mistgabeln wiederholt zugesetzt haben, so der Tatvorwurf vor Gericht. Eigenen Ausführungen zufolge tat er dies, um die Pferde im Griff zu haben – gerade deshalb würden seine Pferde gerne für Veranstaltungen wie den Rosenmontagszug genommen. 3 Dies wirft die Frage auf, ob womöglich noch an anderen Pferdehöfen ähnlich vorgegangen wird, um die Tiere in die ihnen widerstrebende Situation zu zwingen. Es ist mehr als bekannt, dass die Umstände eines Karnevalszuges der Natur von Pferden vollkommen entgegenlaufen. Als Fluchttiere würden sie sich niemals freiwillig und auch unter Zwang nur ungern in solche Veranstaltungen begeben. Der Stress und die Schmerzen, welchen sie durch die Lautstärke, die Enge, die Menschenmasse, die umherfliegenden Süßigkeiten und die mitunter völlig ungeeignete und falsch angebrachte Zäumung erleiden, sind ihnen deutlich anzusehen.

Das Festkomitee reagiert auf die Vorwürfe – von diesem Mann, noch nach Bekanntwerden des Urteils, Pferde bezogen und ihn gar selbst vor Ort toleriert zu haben – abwehrend. Man habe alles in den eigenen Möglichkeiten Stehende getan, um ihn vom Zug fernzuhalten und man wolle ihn zumindest für die Zukunft für eine weitere Teilnahme sperren (ob dies tatsächlich passiert, bleibt zu sehen). Über das vor Ort offenbar durch die Altstädter ausgesprochene Teilnahmeverbot, habe er sich hinweggesetzt. 4 Die Frage, warum die KG unter diesen Umständen dennoch losgezogen und nichts weiter unternommen hat, bleibt offen.

Allgemein habe man in den vergangenen Jahren „enorm viel für die sichere Reiterei und das Tierwohl getan“ und unter anderem Richtlinien zum Umgang mit den Tieren und der Planung des Zuges aufgestellt. Damit sind offenbar die Leilinien gemeint, die 2022 überarbeitet vom Umweltministerium NRWs (MUNV) veröffentlicht wurden. Zuvor hatten die Verantwortlichen des Kölner Karneval eigene Maßnahmen entwickelt, wie etwa ein Leiser-Stellen der Boxen, wenn Pferde vorbeikommen. Die Einhaltung dieser (aller?) Maßnahmen sei absolut notwendig für eine sichere Durchführung des Rosenmontagszuges und damit die Pferde „möglichst entspannt“ teilnehmen könnten. 5 Trotz dessen, dass beides insgesamt bei Weitem nicht ausreicht und niemals ausreichen wird, um einen Karnevalsumzug tierschutzkonform zu gestalten, ist diese Aussage doch interessant:

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Zug ohne Einhalten der Leitlinien nicht auch nur ansatzweise sicher und mit entspannten Tieren verlaufen kann. Wie bereits angesprochen, konnten im Rosenmontagszug 2023 verschiedene Verstöße gegen die Leitlinien und eigenen Maßnahmen beobachtet und filmisch festgehalten werden6 – Beweise dafür, dass der Zug sogar nach Aussage des Festkomitees nicht sicher, sondern gefährlich und tierschutzrelevant gewesen ist. Von den „strengen Regeln“, die der Kölner Stadtanzeiger zuletzt auflistete,7 wurde kaum eine einzige konsequent eingehalten. Mindestens einmal lief eine Gruppe Pferde direkt hinter einer Musikkapelle (so bei der Ehrengarde). Dass jedem Pferd zu seinen unterschiedlichen Einsatzzeiten in dem mehr als 11 Stunden andauernden Zug eine (mindestens halbstündige, völlig ungestörte) Pause nach 4 Stunden gewährt wurde und die Pferde mit Wasser und Nahrung versorgt wurde, konnte an keiner Stelle beobachtet werden und ist daher stark anzuzweifeln. Das Handyverbot auf dem Pferd wurde von einigen Reitern, die offenbar das Bedürfnis nach einem „Selfie“ verspürten, nicht eingehalten und auch bei der Einhaltung der Gewichtsbeschränkung ließ man sich offenkundig gewisse Freiheiten nach oben offen.

Mittlerweile behauptet man nicht einmal mehr, dass die Tiere völlig entspannt seien bzw. sein können, sondern lediglich „möglichst“ entspannt. Ein Zustand, der von „ideal“ weit entfernt ist!

Wie auch bei dem Unfall 2018 gibt es nach dem Pferdeeinsatz im Rosenmontagszug 2023 erneut Ausflüchte, warum Pferde gestresst erschienen. Zeigt ein Pferd offensichtlich Anzeichen von Stress, wird dies als reine „Momentaufnahme“ abgetan.8 Dem steht entgegen, dass von diesen sog. Momentaufnahmen eine Vielzahl beobachtet und festgehalten werden konnte und außerdem vielfach ausgesagt wird, Pferde mit auffälligem Verhalten würden sofort aus dem Zug genommen. Es ist damit unklar, welche große Zeitspanne noch als „sofort“ angesehen wird.

Daneben mutmaßte der Halter des Pferdes Sam, welches in einem viel geteilten Video stark mit dem Kopf schlug, kaute und Schaum vor dem Mund hatte, es habe vielleicht nur ein Stück Kamelle an den Kopf bekommen.9 2018 sollte der schwere Unfall angeblich auf einen gelösten Haltebolzen oder ebenfalls auf einen Bewurf zurückzuführen gewesen sein (also eine so bezeichnete „Manipulation von außen“).10 Die damals durchgegangenen Kutschpferde zeigten jedoch nicht nur an dieser einen Stelle, an welcher es schließlich zu dem Unfall mit mehreren (schwer) Verletzten kam, starken Stress und Motivation zu steigen und auszubrechen. Auch an einer anderen Stelle war dieses Verhalten zu sehen. Selbst wenn der Stress der Tiere vereinzelt von Kamelle oder Haltebolzen herrühren sollte, so sind dies nur marginale, zusätzliche negative Einflüsse, welche auf die Zustände im Rosenmontagszug genauso zurückzuführen sind, wie die Lautstärke und die Menschenmengen. Derlei Behauptungen sind kein Argument für Pferde im Umzug, vielmehr ein weiteres dagegen. Dass ein Pferd mal von einer Kamelle getroffen wird, kann schließlich jederzeit passieren und endet dann zugegebenermaßen nicht selten in einer ausgewachsenen Katastrophe! Die Gelassenheitsprüfung, welche als Training mit Bällen, Flatterband, Wurfkörben („den Tieren mal um[gehangen]…) oder Stangen auf dem Boden beschrieben wurde,11 kann nur als lachhaft unzureichend bewertet werden. Die geübten Zustände haben mit der Realität nicht auch nur im Entferntesten etwas gemein.

Wie bei so vielen anderen menschlichen Interessen, ist auch hier das monetäre Interesse ein ausschlaggebendes. Man hält an den Pferden fest aus „Tradition“ und weil man „nun mal [sein] Geld damit“ verdiene. 12 Wirtschaftlichen Interessen steht zunächst einmal nichts entgegen. Das Tierschutzgesetz verlangt jedoch (nach § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz), dass Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden nur aus einem vernünftigen Grund zugefügt werden dürfen. Pferde leiden in den Umzügen deutlich, das veranschaulicht nicht nur die Tatsache, dass seit 2020 drei Ermittlungsverfahren nach Anzeigen, darunter einer Strafanzeige,13 wegen erheblichen Tierleids von den Behörden geführt werden. Wirtschaftliche Gründe können jedoch gerade nicht als vernünftiger Grund im Sinne des Gesetzes dienen, wie das Bundesverwaltungsgericht 2019 in seiner Entscheidung zum „Kükentöten“ festlegte.14 Auch Tradition kann schwerlich als solcher gelten und damit gibt es keine Grundlage für das Mitführen von Pferden im Rosenmontagszug, in Köln und jeder anderen Stadt.

Das Netzwerk für Tiere Köln wird die Verstöße gegen Leitlinien und Tierschutzgesetz bei den zuständigen Personen im Karneval und in den Behörden auch in diesem Jahr deutlich zur Sprache bringen. Dann wird zu sehen sein, wie viel an dem Versprechen, die Verstöße zu prüfen und zu sanktionieren,15 in der Realität dran ist.

 

1 siehe nur https://www.netzwerk-fuer-tiere-koeln.de/von-tierschutz-leitlinien-keine-spur-im-rosenmontagszug-2023/; PETA https://www.peta.de/presse/scharfe-kritik-von-peta-am-zwoelfstuendigen-pferdeeinsatz-beim-koelner-rosenmontagszug-tierschutz-mit-fuessen-getreten/; t-online https://www.t-online.de/region/koeln/id_100132936/tierquaelerei-an-koelner-rosenmontagszug-so-schlecht-stand-es-wirklich-um-pferd-sam.html.

2  dies brachte PETA mit einer Pressemitteilung am 1.3.2023 an die Öffentlichkeit, https://www.peta.de/presse/verpruegelte-pferde-beim-koelner-rosenmontagszug-peta-verlangt-erklaerung-von-festkomitee-und-oberbuergermeisterin-reker/ ; report-k dazu https://www.report-k.de/misshandelte-pferde-beim-koelner-rosenmontagszug-peta-verlangt-erklaerung/; die BILD dazu https://www.bild.de/regional/koeln/koeln-aktuell/koeln-festkomitee-schliesst-tierquaeler-vom-rosenmontagszug-aus-83103828.bild.html .

3  so schrieb die Aachener Zeitung am 13.2.2023, https://www.aachener-zeitung.de/lokales/eifel/monschau/pferdequaeler-verurteilt-mit-dem-hammer-auf-den-kopf_aid-84846525 .

4  mit diesen Aussagen zitierte die Aachener Zeitung Michael Kramp, Vorstandsmitglied des Festkomitees Kölner Karneval, in ihrem Artikel „Kölner Festkomitee sperrt verurteilten Pferdehalter“ v. 3.3.2023, abrufbar unter https://www.aachener-zeitung.de/lokales/eifel/festkomitee-koelner-karneval-sperrt-verurteilten-pferdehalter-aus-monschau_aid-85925667.

5  siehe Quelle 4.

6 siehe Pressemitteilung des NTK, „Von Tierschutz-Leitlinien keine Spur im Rosenmontagszug 2023“ v. 28.2.2023, abrufbar unter https://www.netzwerk-fuer-tiere-koeln.de/von-tierschutz-leitlinien-keine-spur-im-rosenmontagszug-2023/.

7 Kölner Stadtanzeiger, „Tierschützer attackieren Festkomitee“ v. 3.3.2023.

8 so Dr. med. vet. Cornelia Augustiniok, t-online “ Wie schlecht ging es Pferd Sam wirklich?“ v. 24.02.2023, abrufbar unter https://www.t-online.de/region/koeln/id_100132936/tierquaelerei-an-koelner-rosenmontagszug-so-schlecht-stand-es-wirklich-um-pferd-sam.html 

9Artikel von t-online, „Sorge um Tierwohl: Was aus Pferd Sam nach Karneval wurde“ v. 07.03.2023, abrufbar unter https://www.t-online.de/region/koeln/id_100140050/koelner-karneval-was-aus-pferd-sam-aus-dem-rosenmontagszug-wurde.html.

10Focus online „Reitstall-Besitzer nach Unglück: "Die Pferde wurden von außen manipuliert“ v. 14.02.2018, abrufbar unter https://www.focus.de/panorama/welt/rosenmontagszug-in-koeln-reitstall-besitzer-nach-unglueck-die-pferde-wurden-von-aussen-manipuliert_id_8465269.html.

11 siehe Quelle 8.

12 siehe Quelle 8.

13 zur Strafanzeige von PETA: https://www.peta.de/neuigkeiten/karneval-pferd-rollkur/; zu den Ordnungswidrigkeitsanzeigen des NTK: https://www.netzwerk-fuer-tiere-koeln.de/leid-der-pferde-im-koelner-rosenmontagszug-ordnungswidrigkeiten-kommen-zur-anzeige/, https://www.fellbeisser.net/news/9-koelner-karnevalsgesellschaften-wegen-verstoessen-gegen-das-tierschutzgesetz-angezeigt, https://www.rundschau-online.de/karneval-in-koeln/pferde-im-koelner-rosenmontagszug-tierschuetzer-wollen-anzeige-erstatten-164323.

14 BVerwG, Urteil vom 13.06.2019 – 3 C 28/16; dazu: Welt, https://www.welt.de/wirtschaft/article195206009/Kuekentoetung-Ein-wegweisendes-Urteil-auch-fuer-andere-Nutztiere.html.

15 siehe Quelle 4.







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