Welcher "Anti-Imperialismus"?

12.11.12
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von Günter Meisinger via linkezeitung

Über einen falschen bzw. verkürzten Begriff von Anti-Imperialismus in der revolutionären Linken

Unter vielen, die sich als Marxist(inn)en ver- stehen, gibt es erstaunlicherweise nur eine vage Vorstellung davon, was Anti-Imperialismus ist- obwohl Lenin den Imperialismus als höch- stes Stadium des Kapitalismus definierte. Das impliziert, daß es keinen Anti-Imperialismus ohne Antikapitalismus geben kann.

Dennoch hält sich seit Stalin's Volksfront-Zeiten (wo die Unterordnung soz./komm. Positionen unter die Zusammenarbeit mit bürgerl. Parteien erfolgte) bei vielen die Vorstellung, anti-imperialistisch sei quasi jeder, der mit dem Hegemonialstreben der USA nicht einverstanden ist, aus welchem Grund auch immer. (Dann wären auch Neonazis anti-imperialistisch.)

Nach dieser Vorstellung gehörten in jüngerer Vergangenheit Figuren &Diktatoren wie Gadaffi, Sadam Hussein & Assad zum ant-imperialistischen Lager- oder Regimes wie die in Iran, Nordkorea & China. Etwas weiter zürückliegend wurden Leute wie Nasser, Indira Ghandhi oder Nehru dazu gezählt, obwohl letztere streikende Arbeiter in Indien genauso brutal niederknüppeln ließen wie es einst die britischen Besatzer taten.

Einen traurigen Höhepunkt hatten solche Auffassungen 1979, als weite Teile der Linken (die Stalinisten sowieso, aber hier bis in Teile des antistalinist. & trotzkistischen Lagers hinein) die Mullah-Diktatur um Ayatollah Khomeini in Iran unterstützten, ja, feierten. Die Tudeh-Partei (iran. Bruderpartei der DKP) ging in ihrer Unterstützung soweit, andere Linke den Henkern auszuliefern (denen sie wenige Jahre später selbst zum Opfer fielen). Plötzlich war nicht mehr wichtig, daß das Regime die Kurden die ihre Rechte wollten ebenso hinrichten ließ wie Homosexuelle, Prostituierte & aufmüpfige, unverschleierte Frauen.

Die Tudeh hielt den Schleier für eine "zweitrangige Frage, die nur Trotzkisten interessiert", da während des Schah-Regimes die Frauen die Waffen unterm Schleier trugen, und beschuldigte die Frauenbewegung, mit ihren Forderungen "die Revolution zu spalten". Man verhielt sich zur islamistisch-faschistischen Revolution wie zu einer sozialistischen; dabei fragte keiner, ob es für die Arbeiter & die Bevölkerung des Irans denn reale antikapitalistische Verbesserungen gibt. Dennoch hielten viele, von Arafat bis Fidel Castro, die primitiven Mullahs für die damaligen Superstars des Anti-Imperialismus (insbesondere nach der Besetzung der amerik. Botschaft.)

Heute werde ich hier manchmal in Leserkommentaren - meist von Stalinisten - dumm angemacht, wenn ich Leute wie Assad als die Diktatoren benenne, die diese auch sind. (Allerdings hielt auch die pseudo-trotzkistische SAV Syrien einst für einen "degenerierten Arbeiterstaat" oder tut es immer noch.) Dann wird mir gleich  unterstellt, für den bevorstehenden Krieg gegen Syrien zu sein. Das man sowohl gegen Assad wie gegen ausländische Intervention in Syrien sein kann, damit sind diese Kleinköpfigen schon geistig überfordert. Verstehen nicht, daß es nicht nur entweder - oder gibt.

Aufgabe soz. Revolutionäre wäre m.E., erstmal gegen ausl. Intervention aktiv zu sein & gegen die Kräfte, die noch reaktionärer sind als Assad (also z.B. die Salafisten & sonstige Islamisten), aber anschließend (falls diese zurückgedrängt werden können) selber für einen rev. Sturz Assad´s zu sorgen.

In diesem Zusammenhang sagte mir kürzlich ein Genosse sinngemäß: "Du hast ja theoretisch Recht - kein Anti-Imp. ohne Antikap. Wenn es sich aber praktisch so ergeben hat, daß nicht-soz. Kräfte wie die Hamas den Kampf gegen die israel. Besatzung anführen, oder sowas wie die PKK den kurdischen Befreiungskampf leitet, müßte man diese Gruppen dann nicht trotzdem unterstützen?"

Meine Antwort wäre ein klares Nein. Denn wieso gibt es nur noch die PKK in der Führung der Kurden? Weil die genauso wie die Tamil Tigers in Sri Lanka alle rivalisierenden Gruppen mit Gewalt beseitigten. Die PKK tötete etliche Leute von linken Gruppen und führte Kritiker in den eigenen Reihen zu Parteiinternen Hinrichtungsstätten in Syrien. Außerdem hatten die - genau wie die Tigers - mit Drogenhandel zu tun, und Gruppierungen mit solcher Mentalität können niemanden in eine freie Gesellschaft führen - das Spiel vom Regen in die Traufe (vom Schah zu Khomeini) würde sich unter Diktator Öcalan wiederholen.

Auch bei der Frage der "nationalen Befreiung" sollten rev. Soz. niemand unterstützen, der nicht gleichzeitig die soziale & allgemein menschliche Befreiung als Perspektive hat.

EINE SOLCHE UNTERSTÜTZUNG WÜRDE UNS AUCH SCHON WIEDER MORALISCH DISKREDITIEREN UND SCHON IM VORAUS JENEN NEUEN KREDIT VERSPIELEN DEN DIE LINKEN NOCH GAR NICHT HABEN, SONDERN SICH ERST NOCH VON DER BEVÖLKERUNG ZURÜCKEROBERN MÜSSEN nach ihrer Jahrzehntelangen diskreditierten Unterstützung für den Stalinismus.

Jetzt sollte sich jede linke Unterstützung für PKK, Hamas, Hezbollah, Taliban und ähnl. reaktionäre-islamische Gruppierungen verbieten. Mir hielt mal jemand entgegen, wenn ich gegen die Besatzung Afghanistans sei, sei ich automatisch in einer Front mit den Taliban und würde oder müßte die automatisch mit unterstützen.

Und genau diese Position halte ich für falsch. Eine rev. Gruppierung in Afghanistan müßte gleichermaßen gegen die Besatzungsmächte wie gegen die Taliban u.ä. Krieg führen. Wenn sie dazu zu schwach ist, muß sie sich raushalten und für keine der kämpfenden Seiten Partei ergreifen.

Obwohl schon Lenin in einigen Situationen eine solche Position des "rev. Defätismus" einnahm, scheinen heutige radikale Linke immer zu meinen, sich zwanghaft auf eine Seite stellen zu müssen.

Auch widerspräche eine solche Unterstützung m.E. Trotzki´s Auffassung, wonach heutzutage keine nationale Bourgeoisie mehr einen anti-imperialist. Befreiungskampf anführen kann, da selber durch zig Fäden mit den imperialist. Mächten verbunden und von diesen abhängig.

http://www.linkezeitung.de/index.php?option=com_content&view=article&id=14588:welcher-antiimperialismus-&catid=150&Itemid=185

 


VON: GÜNTER MEISINGER VIA LINKEZEITUNG






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