Politik des Stillstands? - von wegen!

09.02.18
DebatteDebatte, Politik, Antifaschismus, TopNews 

 

Von systemcrash

Die Diskussionen um die (schwierige) Regierungsbildung wirbeln eine Menge Staub auf. Das ist gut so! Nur leider kann die 'linke' (im weitesten Sinne) nicht unmittelbar daraus Vorteile ziehen (da Aufklärung immer mehr Zeit benötigt als 'Populismus', Ressentiment und egohafte Meinung [1]. Ihre Aufgabe ist es daher, die politische Lage ruhig und nüchtern zu analysieren und dadurch Honig für eine mögliche und hoffentlich bessere Zukunft zu sammeln.

"Die gesetzliche Rentenversicherung wurde zugunsten von privaten Versicherungen und Banken ausgehöhlt. Die brauchten noch mehr Kapital, mit dem sie Managerboni und Dividenden zahlen konnten. Und gleichzeitig haben CDU und SPD mit der Ausweitung der Leiharbeit Niedriglöhne auf breiter Front etabliert und das Lohngefüge insgesamt weiter zugunsten der Kapitalrendite gedrückt. In dieser Situation tut es den Ostdeutschen besonders weh, wenn dann auch noch sicher geglaubte Siemens-Arbeitsplätze wegfallen."

Ein Zitat aus der Werbung der 'Linkspartei'? Mitnichten! Es ist ein Zitat von Björn Hocke, 'völkischer' Flügel der AfD. Im verlinkten Artikel von Rudolf Augstein, der dieses Höcke-Zitat enthält, entwickelt er meines Erachtens ziemlich überzeugend den Gedanken, dass die Kombination aus "Rassismus und Sozialstaat" das Potential hat, eine "Volkspartei" zu werden. Ich möchte meinerseits hinzufügen, dass die Kombination aus "Nationalismus [Standortpolitik und Sozialpartnerschaft] und Sozialstaat" ebenfalls das Potential hatte (die Vergangenheitsform ist bewusst gewählt!), eine "Volkspartei" zu werden in Form der (klassischen) Sozialdemokratie.

Diese Zeiten scheinen jetzt aber vorbei zu sein. Die SPD ist tatsächlich dabei, sich selbst abzuschaffen. Die alte Tante ist zwar ein zähes Biest, aber die Lage, in der sie sich jetzt befindet, besitzt auf gar keinen Fall eine 'positiven' Ausgang.

Szenario 1: die SPD(-Basis) stimmt der GroKo zu. Dann bleiben alle internen Differenzen weiter bestehen, aber die SPD wird für die Gesamtpolitik der GroKo in Haftung genommen. Dann werden vermutlich die Wählerstimmen noch weiter in den Keller gehen.

Szenario 2: die SPD(-Basis) lehnt den GroKo-Vertrag ab. Dann ist die jetztige Parteiführung vollkommen politisch diskreditiert. Kevin Kühnert meint zwar:

"Der Neuanfang müsste auch eine personelle Komponente haben, das ist logisch. Ich kann aber nichts damit anfangen, alle austauschen zu wollen. Das kann man mit einer Organisation wie der SPD nicht machen und würde auch nicht passieren."

Gut, in der SPD ist vieles möglich, aber die Glaubwürdigkeit der SPD würde mit so einer Variante noch weiter ausgehöhlt werden (da hat Schulz schon mächtig Vorarbeit geleistet) und insgesamt halte ich eine Umorientierung vom 'Neoliberalismus' zu einem 'echten' Reformismus in der SPD (dem Partei-Apparat!) auch nicht (mehr) für realistisch (ein deutscher Corbyn wäre ein hoffnungsloser 'Linkssektierer'. Die Frage ist auch, ob überhaupt die soziologische Basis der SPD bei den Lohnabhängigen für so eine Umorientierung überhaupt noch ausreichend wäre). Wenn es Teile in der SPD gibt, die sich so einen Weg vorstellen können, werden sie vermutlich eher ihre politische Heimat in der PDL suchen. - Oder weiter mit geballter Faust in der Hosentasche in der SPD ausharren.

Szenario 3: wenn die SPD(-Basis) den GroKo-Vertrag ablehnt (selbst in einem Tagesschau-Kommentar [09.02.2018] wird diese Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen), würde es sehr wahrscheinlich zu Neuwahlen kommen. Aber da scheint mir richtig zu sein, was Ralf Stegner (SPD, stellv. Bundesvorsitzender) in einem Interview mit der Kabaretisttin Hazel Brugger gesagt hat: es gibt keine besseren Mehrheiten. [https://www.facebook.com/heuteshow/videos/10155190668285986/]

Das heisst, Neuwahlen würden nicht zu mehr Klarheit führen und würden höchstwahrscheinlich am ehesten der AfD nützen.

Wahrlich, die SPD steckt in einer Klemme, gegen die Skylla und Charybdis geradezu idyllisch wirken. ;)

Aber wie immer sich die SPD(-Basis) entscheiden wird: der Weg in den weiteren Niedergang ist nicht mehr aufzuhalten. Jetzt ist 'nur' noch die Frage, wie das politische Vakuum von links besetzt werden könnte. Und mit dieser Fragestellung sind die  programmatische Probleme noch nicht einmal mit angesprochen.

Es bleibt noch sehr viel zu tun auf Seiten der (gesellschaftlichen) 'linken'.

 

[1] "Eine andere Facette der Ichhaftigkeit besteht in der Verliebtheit in die eigene Meinung. Etwas gilt dann als geistig angeeignet, wenn man seinen Senf dazu gegeben hat. Zur eigenen Meinung pflegt man eine Beziehung wie zu seinem Hund: „Wir zwei verstehen uns.“ Gedanken werden weniger nach der Seite ihres Inhalts, sondern als Privatbesitz gewürdigt. „Eine Meinung ist eine subjektive Vorstellung, ein beliebiger Gedanke, eine Einbildung, die ich so oder so und ein anderer anders haben kann; – eine Meinung ist mein, sie ist nicht ein in sich allgemeiner, an und für sich seiender Gedanke.“ (Hegel 18, 30) Die unterstellte Gewissheit, es verhalte sich so in der Wirklichkeit, wie man es in der Meinung von ihr annimmt, wird zugleich dementiert. Der Inhaber von Meinungen will gar nicht wissen, ob es sich so verhält, wie er meint. „Kritik und Einwände sind in dieser Sicht ein einziger Anschlag auf die Freiheit, zu denken, wie man will. Dies ist konsequent. Für Subjekte, die durch die Gedanken und Überlegungen, die sie anstellen, nichts als ihre Individualität unterstreichen wollen, ist ein Argument nichts weniger als ein Attentat wider die Ehre und Selbstbestimmung der eigenen Person; es wird damit zur Ursache eines Konflikts. Dessen Lösung besteht in der wechselseitigen Versicherung, für sein Teil habe jeder der Beteiligten Recht, wenn auch nur seines“ -- Meinhard Creydt [2012]

 

[2] Nach Schreiben des Artikels ist mir bekannt geworden, dass Schulz auf das Amt des Aussenministers verzichtet. Die politischen Schlussfolgerungen im Artikel bleiben aber meines Erachtens davon unberührt.







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