Religion durch Aufklärung überwinden

13.09.13
TheorieTheorie, Kultur, News 

 

von Reinhold Schramm (Bereitstellung)

Vorbemerkung: Wir sollten das Rad nicht neu erfinden.

Religion: Gesamtheit von Anschauungen, Emotionen und Kulthandlungen, deren Wesen in einer phantastisch verzerrten, illusionären Widerspiegelung der Natur und der Gesellschaft im Bewusstsein der Menschen besteht. -

Alle Religionen sind durch diese drei grundlegenden Elemente charakterisiert, von den frühesten Formen der Religion in der Urgesellschaft (Magie, Zauber, Totemismus) über die polytheistischen Stammes und Volks-R. bis zu den entwickelten Formen des Monotheismus (Christentum, Islam, Buddhismus). Die religiösen Anschauungen, insbesondere des Monotheismus, besitzen weltanschaulichen Charakter. Da sie den Ursprung und das Wesen der Welt letztlich in einer übernatürlichen geistigen Macht sehen, sind sie ihrem Inhalt nach eng verwandt mit dem objektiven  Idealismus. Die Entstehung, Veränderung und auch das allmähliche Absterben der Religion geht notwendig aus dem materiellen Lebensprozess der Menschen hervor. In ihren frühesten Formen widerspiegelt die Religion zunächst die Abhängigkeit der Menschen von den elementaren Naturgewalten, die von ihnen infolge der geringen Entwicklung ihrer Produktivkräfte noch nicht beherrscht werden können. Die nicht erkannten, daher noch geheimnisvollen Naturkräfte widerspiegeln sich in den religiösen Anschauungen als phantastische übernatürliche Mächte, und die Menschen suchen ihre Ohnmacht gegenüber den natürlichen Mächten zu überwinden, indem sie die Geister (später die Götter) durch Opfer, Beschwörung, Gebete usw. günstig zu stimmen suchen und um Hilfe bitten. -

Nach dem Aufkommen der Klassengesellschaft entstand für die Volksmassen eine neue Form der Abhängigkeit und Ohnmacht, die in der weiteren Entwicklung zur wichtigsten Grundlage der Religion wurde. -

„Aber bald treten neben den Naturmächten auch gesellschaftliche Mächte in Wirksamkeit, Mächte, die den Menschen ebenso fremd und im Anfang ebenso unerklärlich gegenüberstehen, sie mit derselben scheinbaren Naturnotwendigkeit beherrschen wie die Naturmächte selbst. Die Phantasiegestalten, in denen sich anfangs nur die geheimnisvollen Kräfte der Natur widerspiegelten, erhalten damit gesellschaftliche Attribute, werden Repräsentanten geschichtlicher Mächte.“
(Friedrich Engels) -

Die monotheistischen Welt-Religionen, insbesondere das Christentum, sind ein Erzeugnis der antagonistischen Klassengesellschaften mit ihren Verhältnissen der Ausbeutung und Unterdrückung. Entstanden als Ausdruck der Unzufriedenheit und zugleich der Ohnmacht der ausgebeuteten Volksmassen, wurde z. B. das Christentum sehr bald zur Staats-Religion und in den Dienst der ausbeutenden Klassen gestellt. -

„Denjenigen, der sein Leben lang arbeitet und Not leidet, lehrt die Religion Demut und Langmut hienieden und vertröstet ihn mit der Hoffnung auf himmlischen Lohn. Diejenigen aber, die von fremder Arbeit leben, lehrt die Religion, Wohltätigkeit hienieden, womit sie ihnen eine recht billige Rechtfertigung ihres ganzen Ausbeuterdaseins anbietet und Eintrittskarten für die himmlische Seligkeit zu erschwinglichen Preisen verkauft.“
(Wladimir Iljitsch Uljanow) -

Die wichtigste Grundlage für die Existenz der Religion in der Gegenwart bildet die kapitalistische Gesellschaftsordnung. -

Die spontan wirkenden Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, die zu sozialer Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Krisen und verheerenden Kriegen führen, sind die soziale Basis für die Existenz religiöser Auffassungen. -

Solange die Menschen den Gesetzen der kapitalistischen Gesellschaft ausgeliefert sind und ihre Geschichte nicht bewusst gestalten, erscheinen die sie knechtenden gesellschaftlichen Mächte als überirdische Mächte. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit der Menschen widerspiegelt sich in den Vorstellungen eines allmächtigen göttlichen Wesens, dem alle Vollkommenheiten zugeschrieben werden, und das menschenunwürdige Leben der ausgebeuteten Werktätigen im Diesseits erscheint als die Vorstufe eines glücklichen Lebens im Jenseits. -

So ist die Religion die allgemeine Theorie der menschenunwürdigen Welt der Ausbeutung und Unterdrückung, „ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund“ (Karl Marx).

Die Religion als eine Form der bürgerlichen Ideologie ist heute, nicht zuletzt durch eine immer engere Verschmelzung mit Ideologien und Theorien der spätbürgerlichen Gesellschaft, von einer tiefen geistigen Krise betroffen. Diese Krise zeigt sich in prinzipiellen innerkirchlichen Gegensätzen und Zweifeln an der Richtigkeit der tradierten religiösen Dogmen, Überlieferungen und Existenzformen. Durch modernistische, die Tradition negierende religiöse Auffassungen und durch das Ausweichen auf Bereiche, Gegenstände und Inhalte nichtreligiösen Charakters wird versucht, die Krise der Religion zu überwinden und den immer offensichtlicher werdenden Widerspruch zur Wissenschaft zu verdecken. -

Die Ausbeuterklassen haben die Religion (stets) dazu benutzt, die unterdrückten Massen niederzuhalten. Auch in der Gegenwart werden religiöse Gefühle dazu missbraucht, die Werktätigen der kapitalistischen Welt von der Erkenntnis ihrer wahren Interessen, vom Klassenkampf abzuhalten und sie mit der kapitalistischen Gesellschaft zu versöhnen ( politischer Klerikalismus). -

Andererseits führen die Verschärfung aller Widersprüche des imperialistischen Systems, die menschenfeindliche Politik des Imperialismus dazu, dass große Massen von Gläubigen revolutioniert werden und sich dem antiimperialistischen Kampf anschließen. Wenngleich ihr Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und sozialen Fortschritt religiös motiviert ist, so erweisen sich die menschenunwürdigen Lebensverhältnisse und die Religion als die tiefere Ursache ihrer Revolutionierung. -

Viele Angehörige von Kirchen, besonders in den vom Imperialismus unterdrückten, unterentwickelten Ländern, wenden sich gegen die reaktionäre soziale und politische Funktion, die die Religion in den Händen der reaktionären kirchlichen Hierarchie hat.

In der künftigen emanzipatorisch-sozialistischen Gesellschaft verliert die Religion ihre sozialen Grundlagen. Infolge des Beharrungsvermögens der Traditionen, äußerer Einflüsse und bestimmter Unterschiede in der sozialen Übergangsstruktur der sozialistischen Gesellschaft und in der Bewusstseinsentwicklung bleibt sie jedoch weiter wirksam. Die (Ein-)Stellung gegenüber den Religionsgemeinschaften erwächst aus der Kenntnis des Wesens religiöser Anschauungen, insbesondere ihrer sozialökonomischen und erkenntnistheoretischen Wurzeln. Deshalb verfolgt die künftige emanzipatorisch-sozialistische Gesellschaftformation keine Politik der administrativen Abschaffung der Religion, sondern tritt für die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ein. In der emanzipatorisch-sozialistischen Übergangsgesellschaft sind Staat und Kirche getrennt, die Rechte und Pflichten der Religionsgemeinschaften, insbesondere die ungehinderte Ausübung religiöser Handlungen, sind verfassungsmäßig gesichert. Die bürgerlichen Humanisten der Aufklärung, die Sozialisten und Kommunisten haben sich stets dagegen gewandt, die existierenden weltanschaulichen Gegensätze zwischen Marxisten und Religiösen zu verwischen, aber auch alle Versuche zurückgewiesen, diese Gegensätze aufzubauschen und die Einheit der Werktätigen im antiimperialistischen Kampfe zu schwächen. Sie gehen davon aus, dass die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen der marxistischen Weltanschauung und der Religion keinen Hinderungsgrund darstellen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Marxisten und Religiösen im Kampf für Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt, für die umfassende Einbeziehung der Bürger religiösen Glaubens in die Gestaltung der (künftigen) emanzipatorisch-sozialistischen Gesellschaft. -

Die Basis dieser Zusammenarbeit bilden die gemeinsamen Lebensinteressen, die Marxisten und Religiöse im antiimperialistischen Kampf und bei der Gestaltung der emanzipatorisch-sozialistischen Gesellschaft verbinden. Die bürgerlichen Humanisten, Sozialisten und Kommunisten werden alles dafür tun, damit die Werktätigen und insbesondere die Jugend mit der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse ausgerüstet werden. Dazu gehört die Verbreiterung atheistischer Überzeugungen.  Atheismus, gesellschaftliches Bewusstsein.

[Eine modfizierte Bearbeitung, vgl.]

Quelle: Kleines Politisches Wörterbuch. Dietz Verlag Berlin 1973. Vgl.: Religion, S. 717–720.

Info.-Empfehlung

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Asmae muss schwimmen gehen - taz.de, 11.09.2013
www.taz.de/Urteil-des-Bundesverwaltungsgerichts/!123571

Kommentar: Religions-Patriarchen durchgeknallt: Die Söhne dürfen in der Badehose und die Mädchen müssen (dürfen) im Taucheranzug schwimmen.

 


VON: REINHOLD SCHRAMM (BEREITSTELLUNG)


Zu Reinhold Schramm: "Religion durch Aufklärung überwinden"  - 16-09-13 20:26




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