"Wir können auf die Regierungsfrage nicht einfach antworten: ‚Mit uns nicht!'". - Auf Grundlage eines "Dringlichkeitsprogramms" will Zimmermann mit der SPD von Hannelore Kraft und den Grünen erst gemeinsam in der Opposition agieren und ab 2010 regieren.
Von Edith Bartelmus-Scholich
Ausgerechnet im von der "Antikapitalistischen Linken" (AKL) dominierten Landesverband Nordrhein-Westfalen gibt es Bestrebungen einen Eintritt der Partei DIE LINKE in die Landesregierung einzustielen. Allen voran arbeitet der auch zur AKL gehörende Landessprecher Wolfgang Zimmermann auf dieses Ziel hin.
Zimmermann hat dem Landesvorstand in einem unserer Redaktion vorliegenden Strategiepapier vorgeschlagen, SPD und Grüne schon jetzt zur Zusammenarbeit in der Opposition aufzufordern. Diese Zusammenarbeit in der Opposition soll die gemeinsame Regierung vorbereiten. Damit SPD und GRÜNE auf das Angebot eingehen, will Zimmermann ihnen ein so genanntes Dringlichkeitsprogramm, welches an die bestehenden Programme der beiden Oppositionsparteien im Landtag in Düsseldorf anknüpft, vorschlagen. Dabei will er sich auf fünf Themen beschränken.
Die gemeinsame Mobilisierung soll mit den Forderungen nach Einführung eines Mindestlohns, Sicherung der Mitbestimmung, kostenloser Bildung für alle, der Kommunalisierung der Energieversorger und dem Einstieg in die Rückführung öffentlichen Eigentum starten. Dabei bleiben die politischen Vorstellungen Zimmermanns über die Verschlagwortung hinaus unkonkret, so dass auf Basis des Papiers durchaus SPD-Politik betrieben werden kann.
Zum Thema Mindestlohn fehlt beispielsweise die Höhe desselben. Es fehlt der Vorschlag, dass Landesaufträge nur noch an Betriebe zu vergeben sind, die einen solchen Mindestlohn bezahlen. Unter der gleichen Überschrift wird die Notwendigkeit existenzsichernder Sozialleistungen genannt, aber wieder ohne die Höhe derselben auch nur anzudeuten. Die Erwerbslosigkeit soll durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich abgebaut werden. In welchem Umfang dies geschehen soll, bleibt offen. Auch die naheliegende Forderung mit einer Arbeitszeitverkürzung bei den Beschäftigten des Landes zu beginnen, taucht nicht auf. Unverständlich ist auch, weshalb zum Abbau der Erwerbslosigkeit nicht ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor gefordert wird. All dies sind Forderungen mit denen die Partei DIE LINKE in NRW in die Offensive kommen und bei den Landtagswahlen 2010 punkten könnte.
Statt dessen soll in dem Papier dem Landesvorstand die frühzeitige Zusammenarbeit mit SPD und Grünen und das Zurückstellen eigener Forderungen als kluge taktische Variante verkauft werden. Wortreich wird die Vorstellung ausgedrückt, DIE LINKE könne so die beiden anderen Parteien "vor sich her treiben" und zudem eine Massenmobilisierung anschieben. In Verkehrung tatsächlich wirkender Kräfte und Zusammenhänge wird dabei willkürlich die angestrebte Massenmobilisierung mit der Regierungsbeteiligung verknüpft.
Das liest sich dann so: "Wir müssen eine Politik machen, die sich darum bemüht, die Kräfteverhältnisse und damit auch die Mehrheitsverhältnisse in dieser Gesellschaft zu ändern. Das aber geht nur, wenn eine große Zahl von Menschen aktiv wird, wenn sich Millionen für die eigenen Interessen mobilisieren. Solange wir eine Minderheit sind, müssen wir eine Politik machen, die diese Mobilisierung begünstigt. Nicht wir müssen uns von der SPD und den Medien treiben lassen, sondern wir müssen umgekehrt dafür sorgen, dass die SPD durch uns und aus den Betrieben, den Stadtteilen und von der Straße unter Druck gerät.
Darum sollten wir auch bzgl. der Regierungsfrage deutlich machen, dass wir bereit sind, uns an Regierungen zu beteiligen, die im Interesse der abhängig Beschäftigten, der Erwerbslosen, der Rentnerinnen und Rentner, der Frauen und der Jugend handeln und die auch bereit sind, die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu verändern.
Um klar zu machen, worum es uns geht, sollten wir keine Minimalbedingungen aufstellen, sondern eine Art Dringlichkeitsprogramm aus höchstens fünf unserer wichtigsten Forderungen und Vorschläge aufstellen, die zugleich an den Wahlkampfaussagen, den Versprechungen und dem Programm der SPD und der Grünen anknüpfen, so dass der Ball in deren Lager gespielt wird. Sie sollen unter den Druck kommen, erklären zu müssen, warum sie nicht bereit sind, diese wichtigen Forderungen umzusetzen.
Die Stunde der Wahrheit ist nicht der Abend nach der Wahl. Die Stunde der Wahrheit ist jetzt. Wir warten nicht bis 2010! Die SPD und die Grünen sind heute in NRW in der Opposition. Wir müssen sie hier und heute - öffentlich - fragen, ob sie bereit sind, mit uns gemeinsam für diese absolut dringlichen Forderungen im Interesse der betroffenen Menschen, die ein Recht auf ein lebenswertes Leben haben, Initiativen zu entwickeln, auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren und Bürgerbegehren zu initiieren bzw. zu unterstützen."
Dem Landesvorstand ist nur zu wünschen, dass er sich auf diese Strategie nicht einlässt. Er würde damit sein Waterloo beschließen. DIE LINKE NRW würde sich jahrelang an den Programmen von SPD und GRÜNEN abarbeiten, anstatt selbstbewusst eigene Themen und Forderungen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie würde an Profil verlieren und wäre weniger gut von der Sozialdemokratie zu unterscheiden. Dadurch würde sie vorwiegend die gleichen Wählergruppen ansprechen wie die SPD, nämlich Beschäftigte mit relativ sicheren Arbeitsplätzen. Diese sind nach wie vor eher an einem Beitrag zum sozialen Frieden interessiert, denn an tiefgreifendem gesellschaftlichen Umbau. Es ist zu erwarten, dass sie im Zweifel wohl eher dem Original SPD und nicht der Kopie DIE LINKE die Stimme geben werden. Andererseits würde DIE LINKE mit einer Annäherung an SPD und GRÜNE den Prekarisierten, Geringverdienern und ALG II Beziehern weniger Hoffnungen vermitteln können. Aus dieser Wählergruppe könnten der Partei DIE LINKE.NRW schlussendlich ein paar Zehntel zum Einzug in den Landtag fehlen.
Edith Bartelmus-Scholich, 21.2.08