Ex-Bundespräsident Roman Herzog beschwört die Gefahren einer heraufziehenden "Rentnerdemokratie", in der "die Älteren die Jüngeren ausplündern" könnten - Ein Kommentar von Wolfram Sondermann
Es ist schon etwas her, da hatte Herzog den berühmten "Ruck, der durch Deutschland gehen" müsse, angemahnt. Jetzt ist ein Ruck da, allerdings ein Linksruck, wie ihn Herzog wohl kaum gemeint haben dürfte. Und das lässt hoffen, dass seinem jüngsten Versuch, die Generationen gegeneinander aufzustacheln, nachhaltig widersprochen werden wird. Wer so redet und die Renterinnen und Rentner zu potenziellen Plünderern erklärt, dem geht es nicht um Generationengerechtigkeit, der will die Gesellschaft spalten und die nachberufliche Generation zum Feindbild aufbauen. Nicht über Bankmanager, die Milliarden verzocken, sollen die Jungen nachdenken, nicht über Unsummen, die in Steueroasen versickern, nicht über Millionenabfindungen für gescheiterte Konzernstrategen, noch nicht einmal darüber, wie mühsam oder auch unmöglich es für sie selbst oft ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder ein Studium zu finanzieren. Neidisch beäugen sollen sie nach Herzog vielmehr, dass die Großeltern dieses Jahr schon wieder für zwei Wochen Saus und Braus mit Ryanair nach Malle fliegen. So sieht Demagogie in Reinformat aus.
In Herzogs Weltsicht scheint es ganz verschiedene Demokratien zu geben, die er in gute und schlechte aufteilt - und die "Rentnerdemokratie" jedenfalls will er nicht haben. Man traut seinen Augen nicht: Für den früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes wird die demokratische Grundregel "One man, one vote" auf einmal zum Ärgernis!
Ein Gutes aber sei nicht verschwiegen: Jetzt wird wieder laut über eine Herabsetzung des Wahlalters nachgedacht. Aus unlauteren Motiven zwar, denn das Wahlrecht taugt nicht als Instrument zur Korrektur der Wahlberechtigten-Demografie. Aber immerhin. Und vielleicht wird ja auch noch weiter und viel Naheliegenderes gefragt: Warum machen so viele junge Erwachsene von einem Wahlrecht, das sie schon längst haben, keinen Gebrauch? Zur Bundestagswahl 2002 haben sich nur 68% der 21-25-Jährigen und 72% der 25-30-Jährigen an die Wahlurnen begeben, aber 84% der 50-60-Jährigen und 86% der 60-70-Jährigen. Seit Ende der 80er Jahre hat sich diese Schere so weit geöffnet, und sie macht deutlich: Nicht zu viele Rentner hat die Demokratie, sondern zu viel junge Politikverdrossenheit. Zu hoffen bleibt also, dass Roman Herzogs Einlassungen bewirken, wozu sie nicht gedacht waren: Dass junge Menschen mit gesundem Trotz von nun an wieder vermehrt wählen gehen.
Herzog selbst sollten wir gern einen langjährigen Urlaub auf Malle gönnen, den er bitte umgehend antreten möge. Dort mag er für wärmende Kaminfeuer an kühlen Abenden Holz spalten. Bei uns jedenfalls sind seine Versuche, Keile zwischen die Generationen zu treiben, ausdrücklich unerwünscht.
Ludwigshafen, den 12. April 2008
Wolfram Sondermann