Von Edith Bartelmus-Scholich
DIE LINKE ist nicht gerade erfolgsverwöhnt. Und hinzu kommt, oft ist sie sich ihrer Erfolge nicht voll bewusst und kommuniziert sie unzureichend. Dies trifft zuletzt in besonderem Maße auf die Energiepolitik zu.
Ausgehend von den Anforderungen der Klimakrise hat DIE LINKE frühzeitig eine Energiepolitik entwickelt, die richtungweisend ist. Die linke Energiewende setzt auf einen raschen, unumkehrbaren Ausstieg aus fossilen Energieträgern und Atomkraft. An ihre Stelle sollen Erneuerbare Energien treten, dezentral erzeugt. Windkraft und Fotovoltaik sollen rasch ausgebaut werden; Erdgaskraftwerke zur Stromerzeugung sollen nur noch für eine Übergangszeit bei Flauten und Dunkelheit vorgehalten werden. Von Teilen der Industrie soll „grüner“ Wasserstoff eingesetzt werden. Energieverbrauch wird so klimaneutral und bezahlbar. Die linke Energiepolitik ist in ihrer Zielsetzung und mit ihren Schritten ausführlich, aber übersichtlich dargestellt in der Broschüre „Aktionsplan Klimagerechtigkeit“ der Bundestagsfraktion von 2020. Energiepolitischer Sprecher der Fraktion war seinerzeit Lorenz Gösta Beutin. Leider spielte die zukunftsweisende Klima- und Energiepolitik während des Bundestagswahlkampfs keine große Rolle.
Auch als im Verlauf des Ukraine-Kriegs durch den nach und nach erfolgten Ausfall russischer Gaslieferungen und die Spekulation an den Energiemärkten die Preise für Erdgas und Strom explodierten, machte DIE LINKE richtungweisende politische Vorschläge. Zu den Forderungen gehören nicht nur ein weiteres Entlastungspaket für von den Teuerungen betroffene Haushalte, sondern auch ein Gaspreisdeckel, die Zurücknahme der Gasumlage, ein Verbot von Strom- und Gassperren, die Unterstützung kommunaler Energieversorger (Stadtwerke), die Verstaatlichung von Energiehändlern und die Abschöpfung von Übergewinnen. Selbstverständlich fordert DIE LINKE nach wie vor den raschen Ausbau Erneuerbarer Energieträger.
Wie alternativlos die politischen Forderungen der LINKEN sind, wird durch den Schwenk der Ampel-Regierung bei der Krisenbewältigung, ausgelöst durch den Druck der Opposition und den Beginn von Protesten, deutlich. Das zusätzliche Entlastungspaket, der Gaspreisdeckel und die Zurücknahme der Gasumlage wurden – natürlich ohne Hinweis auf DIE LINKE – zwischenzeitlich von der Regierung zugestanden. Es gab selten einen schnelleren linken Erfolg. Nun kommt es darauf an, die restlichen Forderungen oder wenigstens Teile davon auch noch durchzusetzen. Nicht unerheblich wird dabei die Besetzung des Energiepolitischen Sprechers bzw. der Energiepolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion sein.
Für die Nachfolge von Ralph Lenkert, der auf der Grundlage des „Aktionsprogramms Klimagerechtigkeit“ im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Bundestags arbeitete, aber immer wieder Differenzen mit dem Ausschussvorsitzenden Klaus Ernst hatte, bewirbt sich Sahra Wagenknecht.
In der jetzigen Krisensituation legt sie in Reden, Video-Clips und Artikeln den Fokus nicht auf die bereits durchgesetzten Forderungen der Partei DIE LINKE und die noch zu erreichenden Forderungen. Wagenknecht ignoriert die politischen Erfolge der LINKEN und stellt per Video-Botschaft sogar in Frage, ob ein Gaspreisdeckel hilfreich ist oder ob er nicht etwa volkswirtschaftlich zu teuer ist (1). Sie sorgt sich mehr um den deutschen Mittelstand oder die deutsche Industrie als darum, wie nun eine Übergewinnsteuer zu Lasten der Konzerne und das Verbot von Strom- und Gassperren zugunsten ärmerer Haushalte durchgesetzt werden könnten. Sie pflegt, wie übrigens auch weitere ihr nahestehende Abgeordnete, zudem Illusionen, dass in Verhandlungen mit Russland bei Unterordnung unter die imperialen Interessen Russlands eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen zu billigen Preisen erreichbar wäre. Sie zeigte zudem in den letzten Jahren eine deutliche Distanz zur Klimapolitik der LINKEN. Bei vielen Gelegenheiten spielte sie Armut gegen Klimapolitik aus und beförderte den Widerstand gegen den Ausbau der Windkraft.
Die Fraktion tut sich, der Partei und den WählerInnen der LINKEN keinen Gefallen, wenn sie den Energiepolitischen Sprecher oder die Energiepolitische Sprecherin mit einer Person besetzt, die der Klima- und Energiepolitik der Partei kritisch gegenüber steht und keinen Blick für die zuletzt erzielten nicht unbeträchtlichen Erfolge hat.
Die Energiepolitik der LINKEN war bisher erfolgreich. Diese Erfolge dürfen durch falsche Personalentscheidungen nicht gefährdet werden.
Edith Bartelmus-Scholich, 2.10.2022
(1) https://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/3210.rettet-uns-die-gaspreisbremse.html