Von "Sozialistische Linke", BundessprecherInnenrat
Der BundessprecherInnenrat der Sozialistischen Linken erklärt zur Entscheidung der Mehrheit der deutschen Delegation im Europäischen Parlament, ihre bisherige Leiterin Sabine Wils abzuwählen:
Die Sozialistische Linke will eine starke, auf der Grundlage des Europawahlprogramms gemeinsam politisch arbeitende und ausstrahlungsfähige Delegation der LINKEN im Europäischen Parlament. Die Delegation entscheidet selbstverständlich selbst über die Besetzung ihrer Funktionen, aber sie sollte das nicht ohne Rücksicht auf die Partei und die Wirkung nach außen tun.
Fünf von acht der deutschen Europaabgeordneten der LINKEN haben am 14.
September 2010 MdEP Sabine Wils als Leiterin der deutschen Delegation in der gemeinsamen Fraktion GUE/NGL abgewählt. Sie ersetzten sie durch Gabi Zimmer und Thomas Händel als Doppelspitze. Konkrete nachvollziehbare Begründungen für diesen ungewöhnlichen Schritt sehen wir nicht. Selbst wenn Kritikpunkte an der Arbeit von Sabine Wils berechtigt sein sollten, gab es keinen Grund, zu diesem Zeitpunkt ohne Rücksprache mit der Führung der Partei eine Abwahl durchzuziehen.
Das Europawahlprogramm hat sich nicht zuletzt mit der Euro-Krise bzw.
der Kritik am Vertrag von Lissabon als richtig erwiesen. Sabine Wils fühlt sich Wahlprogramm und GUE/NGL verpflichtet und geriet damit in Konflikte mit einigen anderen Abgeordneten. Ein zentraler Punkt dabei ist der konföderale Charakter der GUE/NGL Fraktion im Europäischen Parlament, die auf der Eigenständigkeit der nationalen Delegationen und der Rücksichtnahme auf ihre Interessen beruht.
Konföderaler Charakter der GUE/NGL
Wir sind besorgt um den Zusammenhalt der GUE/NGL. Die Mehrheit der deutschen Delegation setzte gegen den Wunsch von Fraktionsmitgliedern aus Griechenland, Portugal und weiteren von der Euro-Krise betroffenen Ländern durch, dass für die GUE/NGL-Fraktion im Parlament zur sogenannten Wirtschaftsregierung zwei Deutsche sprachen, aber niemand aus den betroffenen Ländern. Dabei ging es um die strengere Haushaltsüberwachung bzw. die Durchsetzung von Sparpakten auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit in der EU.
Eine Rumpf-Linke bestehend aus den EL Parteien im Europaparlament würde den Aufgaben der Europäischen Linken, linke Politik in Europa zu stärken, nicht entsprechen.
Politisch-inhaltliche Konflikte in der Delegation
Einen Konflikt gab es über das Verhalten gegenüber dem von EU-Rat und Parlament ausgehandelten Paket zum Europäischen Auswärtigen Dienst. Die GUE/NGL-Fraktion einigte sich – in Übereinstimmung mit der Position der Bundestagsfraktion der LINKEN - auf Ablehnung. Dennoch enthielten sich drei Abgeordnete (Cornelia Ernst, Helmut Scholz, Gabi Zimmer).
Einen weiteren Konflikt gibt es um das Verhalten zum Thema Finanzmarktaufsicht und -regulierung. Hier stimmten einige deutsche Abgeordneten der Entschließung des Parlaments zu und verschickten dazu eine „alternative Abstimmungsliste“, entgegen den eigenen ursprünglichen Positionierungen und den Diskussionen in der Fraktion.
Darüber hinaus bestanden Konflikte über die von Teilen der deutschen Delegation vertretene Forderung nach Mindestlöhnen in der EU, die sich an 60 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens orientieren sollten und fälschlicherweise mehrfach als Fraktionsforderung ausgewiesen wurden. Die Wahlplattform der Europäischen Linken und das linke Europawahlprogramm fordern jedoch 60 Prozent der nationalen Durchschnittslöhne. Ein Mindestlohn in Orientierung am Durchschnittseinkommen statt Durchschnittslohn könnte zur Begründung eines Mindestlohnniveaus dienen, das weit unter den von LINKEN in Deutschland geforderten 10 Euro liegt.
Affront gegen den Parteivorstand
In der Auseinandersetzung um die Delegationsleitung war eine Vermittlung durch den geschäftsführenden Parteivorstand beabsichtigt. Das Gespräch war für den 04. Oktober vorgesehen. Die Abgeordneten haben sich in Abwesenheit von MdEP Sabine Wils und MdEP Sabine Lösing dennoch auf eine Abwahl verständigt, die bereits am 14. September stattfand. Dies ist ein schwerwiegender Affront gegen den Parteivorstand.
Der BundessprecherInnenrat der Sozialistischen Linken missbilligt dieses Vorgehen der Mehrheit der Delegation entschieden. Wir fordern die Abgeordneten der deutschen Delegation in der GUE/NGL auf, die entstandenen Konflikte mit dem Parteivorstand zu besprechen und auf der Grundlage des Europawahlprogramms zu klären. Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung der Einheit der konföderalen Fraktion GUE/NGL.
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