Von Rainer Beuthel
Daß DIE LINKE mal hier mal dort vom Verfassungsschutz "beobachtet" wird, ist weniger ein Skandal, als eine Ehre für die Partei. Eine Partei mit sozialistischem Anspruch, die von den diversen "Diensten" der herrschenden Klassen nicht beachtet und beobachtet würde, könnte eigentlich gleich einpacken und zur SPD übertreten.
Wenn DIE LINKE den Umgang des Verfassungsschutzes mit ihr öffentlich beklagt und plakativ betont, wie sehr sie treu zum Grundgesetz stehe, zeugt dies von einem etwas naiven Politikverständnis. Denn es geht ja gar nicht um "Verfassungstreue"; die Verfassung ist im Laufe ihrer rund 60-jährigen Geschichte 52 mal geändert worden. Höchst untreu gegenüber den vielzitierten "Vätern der Verfassung" betraf dies auch so wichtige Bereiche wie die Wehrverfassung oder das Asylrecht. Nur so konnte die Bundeswehr entstehen oder das Asylrecht verstümmelt werden zur jetzigen Form. Die Herrschaften selbst haben ein instrumentelles Verhältnis zum Grundgesetz, da muß DIE LINKE nicht lächerlicherweise päpstlicher als der Papst sein.
Zweifellos muß der Kern des Grundgesetzes, die Grund- und Menschenrechte, verteidigt werden, u.a. gegen den "Verfassungsschutz" selbst, der im Lauf seiner Geschichte Millionen von Bürgerinnen und Bürgern beobachtet hat und beispielsweise seit den siebziger Jahren für das gemeinsame Leben in einer Wohngemeinschaft, für die Teilnahme an einer Demo oder das Stören eines öffentlichen Zapfenstreiches der Bundeswehr Punkte vergab, Punkte, die dann von Fall zu Fall bei der Bewerbung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst negativ relevant wurden - einmalig in Westeuropa. Der Verfassungsschutz, der bis heute nicht in der Lage war, ein Verbot der faschistischen und somit per se eigentlich verbotenen NPD auf den Weg zu bringen, steht als Teil der repressiven Staatsapparate für eine Interpretation der Verfassung im Interesse der zur Zeit ökonomisch und politisch Herrschenden. Dies zu durchkreuzen, muß das gemeinsame Ziel der gesamten Linken sein - allerdings auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit einem autoritären Sozialismusmodell in der DDR, dessen Speerspitze das unmenschliche Stasisystem war; einem aus einer besonderen historischen Situation entstandenen Sozialismusmodell, das für eine moderne Linke kein Vorbild sein kann, als Bezugspunkt jedoch seine Bedeutung behält.
Wolfgang Abendroth und die Marburger Schule haben thematisiert, daß das Grundgesetz keinesfalls den Kapitalismus als einzig mögliches Wirtschaftssystem zementiert. DIE LINKE sollte den Mut aufbringen zu diskutieren, an welcher Stelle die Verfassung weiterentwickelt, also geändert werden müßte, um eine (natürlich: demokratisch-)sozialistische Perspektive zu eröffnen. Die Artikel 14 und 15 böten hierzu den Einstieg.
Hoffentlich bringt DIE LINKE bald den Mut auf, diese Diskussion zu beginnen! (Gerne auch im Rahmen der Programmdebatte). Das wäre - wie heißt es so schön - ein Alleinstellungsmerkmal...
Rainer Beuthel
Ratsfraktion DIE LINKE Eckernförde