Zum 90. Geburtstag von Hans Modrow

06.02.18
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Linke Sichten auf Deutschland und Europa

Von René Lindenau

Die LNKE hat ja in Deutschland selten was zu feiern. Der 90. Geburtstag, den Hans Modrow am 27. Januar 2018 beging, schon. Es bot sich an, ihn zu ehren, zu danken, aber auch über die Zukunft nachzudenken – so geschehen in Berlin am 31.01. Als Podiumsgäste stellten sich Francis Wurtz sein langjähriger Kollege im Europäischen Parlament, der Moskauer Politikwissenschaftler Vladimir Fomenko sowie der Mitherausgeber der Zeitschrift „Sozialismus“ Joachim Bischoff und diskutierten mit dem Jubilar über „Linke Sichten auf Deutschland und Europa“.

Und Modrow legte gleich los und sagte etwas Grundsätzliches, indem er von der Linken eine Analyse der politischen Situation forderte. Bekäme sie die nicht hin, käme sie zu spät.

Aber das kennt man ja aus der linken Geschichte zu Genüge.Wohl auch daher ist sie noch immer in der gesellschaftlichen Defensive, worin sie seit dem Zusammenbruch des gescheiterten Staatssozialismus beharrlich verharrt. Mehrfach wurde im Laufe des Abends dieser Zustand beklagt.

Der Gast aus Frankreich, der u.a. eine Zeitlang Mitarbeiter des KP- Generalsekretärs George Marchais war, machte eingangs deutlich wie lange und in welchen politischen Zusammenhängen er die im Mittelpunkt der Veranstaltung stehende Person schon kennt.

Zunächst als sehr geehrten 1. Sekretär der Dresdner SED Bezirksleitung, als Ehrenvorsitzenden der PDS, als anerkannten EU-Parlamentarier und nun als sehr aktiven Rentner.

Im weiteren nannte Wurtz es zum Beispiel ein Wunder, das es in Portugal drei Linksparteien geschafft haben, ein gemeinsames Bündnis zu zimmern, das jetzt erfolgreich regiert. Aus der Wirtschafts- – und Finanzkrise heraus und hin zu einer immer besseren Bewältigung ihrer negativen Auswirkungen. Demgegenüber sprach er die Hoffnung aus, das die griechische SYRIZA bald die Politik machen könne, die sie eigentlich machen will. Denn man muss ja sagen, das sie daran durch die Erpressung einer deutsch dominierten Troika mit Wolfgang Schäuble vorneweg gehindert wurde; Geld gegen sozial schädliche „Reformen“. Im normalen Leben ist Erpressung ein Straftatbestand, in der Politik offenbar nicht. Was den Umgang mit Griechenland angeht, so haben auch die linken Parteien Europas versagt, als es galt, die SYRIZA aktiv zu unterstützen und ihr das Gefühl von Solidarität zu vermitteln. Nur Tage nach Modrows Geburtstagsfeierlichkeiten forderte die Parti de Gauche von Jean-Luc Mélenchon den Ausschluss der SYRIZA aus der Europäischen Linkspartei. Das ist weder Solidarität noch Ergebnis solider Analyse. Soviel vorab, weil die Personalie Mélenchon später noch eine Rolle spielen sollte.

Fomenko würdigte Modrow eingangs als einen herausragenden linken Politiker. Danach hebt er hervor, Russland gehöre auch zu Europa. In der Tat, man könnte sonst oft annehmen, die Kompassnadeln mancher „Polit-Geographen“ haben einen einseitigen Ausschlag nach Westen. Der Blick nach Osten war und ist bei diesem Thema jedoch unumgänglich. So spielten sich auch in den linken Bewegungen seines Heimatlandes Prozesse und Entwicklungen ab, auch wenn sie durch Dresdens früheren Mitbewohner, Präsident Wladimir Putin, worauf der damalige 1. SED Bezirkssekretär amüsiert hinwies, vielfach marginalisiert und überstrahlt werden. Zudem erinnerte er sich an ein Buch des letzten SED-Ministerpräsidenten über die Perestroika, das er für die russischen Leser übersetzen durfte.

Was sicherlich auch ein Verdienst in der Bilanz dem Politiker-Leben von Hans Modrow anzurechnen ist, war, das Bischoff, sagen konnte, wir seien heute eine pluralistische Partei mit relativ guten Aussichten. Eingedenk aller Probleme, innerer Debatten und immer wieder kehrender Zerreißproben, ich weiß. Aus Sicht des Publizisten wäre es immer noch möglich im Kampf gegen den Rechtsruck erfolgreich zu sein und linke Alternativen vorzulegen, vorausgesetzt man zieht die richtigen Schlüsse.

Der ehemalige französische EU-Politiker registrierte zwei Debattenstränge, wenn es um den Kontinent geht. Entweder man ist gegen Europa oder man ist unkritisch dafür. Beide Positionen halte ich für wenig hilfreich, wenn das europäische Haus wirklich von sozialer, demokratischer, sowie von ökologisch - nachhaltiger Substanz und Standfestigkeit geprägt sein soll. Auch eine zutiefst eine linke Herausforderung. Wer soll es denn machen, denn ein Europa für die Menschen ist - naturgemäß – nur mit links zu machen. Wurtz ging ferner auf eine Kampagne für eine europäische Verfassung ein, die einen deutlich pro europäischen Charakter hatte. Hier gelang es die Rechtsradikalen quasi stillzulegen, die hatten nichts zu melden. Den amtierenden Präsidenten E. Macron titulierte er als rechten Liberalen, der allerdings sehr klug sei.

Aufhorchen ließ wohl eine Episode, die Hans Modrow aus seiner Zeit als Abgeordneter des Europäischen Parlaments zum Besten gab. Anno 2004 besuchte er mit Kollegen das NATO-Hauptquartier. Er fragte dort einen deutschen Admiral, wie er denn die deutschen Soldaten motiviere in Afghanistan zu kämpfen. Motivieren? Wir kämpfen doch gegen die Kommunisten – so der Admiral offenbar ganz auf antikommunistischen Kurs bleibend.

Joachim Bischoff konstatierte eine Zuspitzung der ungerechten Verteilungsfrage. Darauf müssen Antworten gefunden werden. Viele partizipieren nicht an den wirtschaftlichen Zuwächsen. Eher tappen sie in Armutsfallen, verheddern sich darin und das mit geringer Aussicht wieder da heraus zu kommen. Dazu brauchte es eines breiten Bündnisses aus Zivilgesellschaft und Gewerkschaft.

Also, an Aufgaben und Herausforderungen mangelt es der europäischen Linken nicht. Sie wird mehr denn je gebraucht. Da und dort verbindet man mit ihr noch immer viel Hoffnungen und Erwartungen. Nicht immer wurde sie ihnen gerecht, doch so tun als sei ihr gar nichts gelungen, hielte ich für arrogant, ja bösartig. Vielmehr sollten eigene Defizite Ansporn sein, es besser zu machen in kritischer Solidarität, frei von Feindbildern, die auch bei Linken (?) ihren Gebrauchswert zu haben scheinen.

Nochmal Mélenchon: Er verbot 2017 in seiner Kampagne als Präsidentschaftskandidat rote Fahnen, macht jetzt Stimmung gegen Flüchtlinge und gegen Europa. Gegenüber Sozialisten, Kommunisten und Gewerkschaften tritt er, der im Ausland anderes redet als in seiner Heimat inzwischen aggressiv auf. So geht es natürlich nicht. Kleiner Dämpfer zum Schluss, dennoch war es trotz mancher (M-)- Bretter ein schöner und würdiger Abend , der reich an vielen, neuen, anderen, linken Sichten war.

Danke Hans!

 

Cottbus, 6.02. 2018  René Lindenau







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